Landtag beschließt Polizeigesetz

10. April 2019

Plenarrede von Albrecht Pallas zum Polizeigesetz – 1/6

Nach mona­te­langer Debatte, nach jah­re­langer Erar­bei­tung, Ver­än­de­rung, Reflek­tion und erneuter Ver­än­de­rung führen wir heute die abschlie­ßende Bera­tung zum Poli­zei­ge­setz. Als SPD sind wir 2014 hier ange­treten, um Poli­zei­ar­beit besser zu machen.

Wir haben erst den schwarz-gelben Scher­ben­haufen auf­kehren müssen, haben den Stel­len­abbau gestoppt und die Ein­stel­lungs­zahlen von 300 auf 700 junge Men­schen pro Jahr ange­hoben.

Wir haben den Poli­zeibau ange­kur­belt und sorgen für eine moderne tech­ni­sche und per­sön­liche Aus­stat­tung.

Heute beschließen wir das Poli­zei­ge­setz, als recht­liche Grund­lage. Neben der Straf­pro­zess­ord­nung ist es gewis­ser­maßen der letzte Bau­stein in dieser Legis­latur.

Als SPD ging es uns darum, die Sicher­heits­aspekte mit den Frei­heits­aspekten zugleich in einem ange­mes­senen Ver­hältnis zu halten. Ich finde, das ist uns gelungen.

Es ist zwei­fels­ohne eines der bedeu­tendsten Geset­zes­vor­haben dieser Koali­tion und gleich­zeitig eines der umstrit­tensten. Die Rol­len­ver­tei­lung in dieser Debatte sor­tiert sich dabei weniger nach Par­tei­farben als nach Tren­nung in Regie­rung und Oppo­si­tion.

Das wird beson­ders deut­lich, wenn wir uns einmal in den anderen Bun­des­län­dern anschauen, welche Koali­tionen in den Län­dern in den ver­gan­genen Monaten mit wel­chen Inhalten ihre jewei­ligen Poli­zei­ge­setze ver­än­dert haben.

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Das führt zu ganz erstaun­li­chen Ergeb­nissen:

  • Bayern - CSU: Mai 2018 – Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz, das an vielen Stellen zu weit geht und zu recht beklagt wird
  • Baden-Würt­tem­berg - Grüne/​CDU: November 2017 – ver­deckte Handy-Über­wa­chung mit Tro­janer, Quellen-TKÜ, Body-Cam, keine Kenn­zeich­nungs­pflicht
  • Hessen - CDU/​Grüne: August 2018 – (QTKÜ), Online-Durch­su­chung, Body-Cam

Im Ergebnis ist das Bild nicht mehr so klar, wer hier welche Posi­tion zum PolG oder ver­meint­lich zum Rechts­staat ein­nimmt – mit Aus­nahme der CSU in Bayern.

Aber heute: Säch­si­sches Poli­zei­ge­setz. Warum hat sich die Koali­tion vor­ge­nommen, das PolG zu refor­mieren?

  1. Die Poli­zei­ge­setz­no­velle soll das neue euro­päi­sche Daten­schutz­recht, kon­kret die Daten­schutz-Richt­linie, in säch­si­sches Lan­des­recht umsetzen.
  2. Das Recht­liche Instru­men­ta­rium für poli­zei­liche Gefah­ren­ab­wehr muss an gesell­schaft­liche und tech­ni­sche Ent­wick­lungen aber auch an ver­än­derte Gefähr­dungs­lagen und sich ver­än­dernde Kri­mi­na­lität ange­passt werden
  3. Grund: Frei­staat Sachsen und Kom­munen arbeiten beide mit geteilten Auf­gaben an Sicher­heit und Ord­nung à daher schaffen wir für beide Bereiche trans­pa­rente und adres­sa­ten­ge­rechte Gesetze.

Das neue Poli­zei­ge­setz wird einer­seits der Polizei ermög­li­chen, sich mit neuen oder gewach­senen Kri­mi­na­li­täts­phä­no­menen ange­messen zu befassen, um diese Phä­no­mene zu bekämpfen.

Dazu zählen z.B. schwere Eigen­tums­kri­mi­na­lität, Gewalt oder reli­giös bzw. poli­tisch moti­vierte Kri­mi­na­lität bis hin zu schwersten ter­ro­ris­ti­schen Straf­taten.

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Ande­rer­seits ver­zichtet es im Gegen­satz zu anderen Poli­zei­ge­setzen auf pla­ka­tive, jedoch ver­fas­sungs­recht­lich frag­wür­dige Befug­nisse wie die ver­deckte Handy-Über­wa­chung mit­tels Staats­tro­janer (QTKÜ), die Online-Durch­su­chung oder einen sog. Ewig­keits-Gewahrsam, wie ihn etwa der Frei­staat Bayern ein­ge­führt hat.

Als SPD wollen wir, dass die säch­si­sche Polizei auch in Zukunft hand­lungs­fähig ist. Gleich­zeitig soll die Polizei nur die­je­nigen Ein­griffs­be­fug­nisse bekommen, die für eine effek­tive Auf­ga­ben­er­fül­lung geeignet, erfor­der­lich und in ihrem Grund­rechts­ein­griff ange­messen sind.

Die Polizei muss nicht alle tech­nisch mög­li­chen Befug­nisse bekommen, son­dern die rich­tigen.

Auch auf Grund des jet­zigen Poli­zei­ge­setzes darf die Polizei in Grund­rechte ein­greifen. Das ist nicht neu aber not­wendig, damit die Polizei ihrem Auf­trag nach­kommen kann, im alten wie im neuen PolG.

Je tiefer eine Befugnis in die Grund­rechte ein­greift, desto höher müssen auch die gesetz­li­chen Hürden sein. Des­wegen haben viele der Befug­nisse einen Rich­ter­vor­be­halt (Auf­ent­halts­an­ord­nung oder Kon­takt­verbot n. §21 PVDG; den Gewahrsam nach §§22,23 PVDG oder TKÜ nach §§66–69 i.V.m. 73 PVDG).

Der Staat muss in begrün­deten Fällen in die Grund­rechte seiner Bür­ge­rinnen und Bürger ein­greifen dürfen. Aber dies muss mit mög­lichst offenem Visier geschehen und gericht­lich über­prüfbar sein. Das macht den Rechts­staat aus!

Des­wegen sind für uns als SPD die Poli­zei­kenn­zeich­nungs­pflicht und die Stär­kung der Poli­zei­li­chen Beschwer­de­stelle min­des­tens genauso wich­tige Themen wie die Ent­schei­dung über die ein­zelnen Poli­zei­be­fug­nisse.

Nun kann in einer Koali­tion nicht jeder Wunsch umge­setzt werden

Es ist bekannt, dass die CDU diese rechts­staat­liche Nor­ma­lität ablehnt.
Wir setzen uns weiter für eine anony­mi­sierte Kenn­zeich­nung ein, mit der Mög­lich­keit, den kon­kreten Code zu wech­seln.

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Für mehr Trans­pa­renz wird die Auf­wer­tung der Beschwer­de­stelle sorgen. Sie wurde Anfang 2016 auf unser Betreiben hin über­haupt erst ein­ge­richtet. Mit dem PolG wird sie zur unab­hän­gigen Ver­trauens- und Beschwer­de­stelle wei­ter­ent­wi­ckelt. Sie bekommt eine gesetz­liche Grund­lage, wir erleich­tern es Poli­zisten, sich dahin zu wenden. Sie wird unab­hängig von Poli­zei­struk­turen – im Landtag wäre optimal, durch den Kom­pro­miss wird sie nun in der Staats­kanzlei sein (im Übrigen wie in Sachsen-Anhalt mit einer CDU-SPD-Grüne-Regie­rung).

Als SPD wollen wir auch eine wirk­same par­la­men­ta­ri­sche Kon­trolle der Poli­zei­ar­beit.

Aber der Reihe nach:

  • Sep­tember 2018 – 1. Lesung im Landtag
  • November 2018 – Anhö­rung im Innen­aus­schuss
  • März 2019 – 2. Anhö­rung im Innen­aus­schuss

Die Anhö­rungen waren wichtig, um den Gesetz­ent­wurf durch Exper­tInnen hin­ter­fragen und auf mög­liche Fehler abklopfen zu lassen.

Es gab zahl­reiche Briefe von Insti­tu­tionen und Orga­ni­sa­tionen mit Ände­rungs­vor­schlägen oder pau­schaler Kritik.

Als SPD haben wir jede Kritik immer sehr genau geprüft und an vielen Stellen eben­falls Ände­rungs­be­darf am Gesetz­ent­wurf erkannt.

So haben wir mehr Trans­pa­renz, bes­sere Kon­trolle und mehr Betrof­fe­nen­rechte durch­ge­setzt. Zum Bei­spiel:

  • die Zen­trale Ver­trauens- und Beschwer­de­stelle
  • die Aus­wei­tung der Kon­troll­rechte des Säch­si­schen Daten­schutz­be­auf­tragten
  • wir erwei­tern die Berichts­pflichten an den Landtag
    (so muss die StReg dem Landtag jähr­lich bspw. über Auf­ent­halts­ge­bote und Kon­takt­ver­bote nach §21 Abs. 2 und 3 PVDG oder über den Ein­satz von Bodycam nach §57 Abs. 4 und 5 PVDG berichten)
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Über den Ent­wurf hinaus wird es eine Eva­lua­tion von Auf­ent­halts­verbot und Kon­takt­verbot (§ 21 Abs. 2 u. 3 PVDG); Bodycam (§ 57 Abs. 4 u. 5 PVDG); auto­ma­ti­sierter Kenn­zei­chen­er­ken­nung (§ 58 Abs. 5 PVDG) und elek­tro­ni­sche Auf­ent­halts­über­wa­chung (§ 61 PVDG) geben.

Und wir stellen bei der neu ein­ge­führten Bodycam (§ 57 PVDG) im Gesetz klar, dass die Betrof­fenen ein Ein­sichts­recht in die Auf­nahmen haben.

Und es gibt noch viele andere Ände­rungen mehr.

Damit setzen wir auch die Punkte um, welche sich aus den beiden Beschlüssen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 18. Dezember 2018 zu Kfz-Kenn­zei­chen­kon­trollen in den Poli­zei­ge­setzen von Bayern, Baden-Würt­tem­berg und Hessen für Sachsen ergeben haben.

Wir haben uns selbst­ver­ständ­lich auch mit der Stel­lung­nahme des Säch­si­schen Daten­schutz­be­auf­tragten beschäf­tigt. Es gab Lob für Body-Cam und einen For­mu­lie­rungs­hin­weis zur Rege­lung über Berufs­ge­heim­nis­träger. Das haben wir im Aus­schuss geän­dert. Er hat sich auch mit Punkten zu Kenn­zei­chen­er­fas­sung und Video­über­wa­chung in Folge des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts-Ent­scheids aus­ein­an­der­ge­setzt. Der Daten­schutz­be­auf­tragte sieht, trotz Anpas­sungen am Gesetz, ein Rest­ri­siko, dass es even­tuell ver­fas­sungs­widrig sein könnte – er muss in seiner Rolle beson­ders kri­tisch sein. Die SPD hat das in meh­reren Gesprä­chen intensiv geprüft und wir kommen zu einem anderen Schluss und sehen das Rest­ri­siko nicht. (Kon­trolle außer­halb grenz­naher Raum bereits auf­grund Sächs­VerfGH beschränkt und regu­liert; Spei­che­rung der Video­daten an Tran­sit­stre­cken für 96h ist recht­lich Neu­land, dar­über hat Gericht nicht ent­schieden, in Abwä­gung wollen wir effektiv etwas gegen schwere Eigen­tums­kri­mi­na­lität tun.)

Im Ergebnis wurde der Gesetz­ent­wurf der Staats­re­gie­rung durch den Innen­aus­schuss am 28. März auf Antrag von SPD und CDU in wesent­li­chen Punkten geän­dert. Nicht zuletzt haben wir dadurch die Ver­fas­sungs­kon­for­mität des säch­si­schen Poli­zei­rechts gewahrt.

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Vor allem aber sind damit unsere Ziele für das Poli­zei­ge­setz erfüllt. Es wird nicht nur moder­ni­siert, son­dern Frei­heit und Sicher­heit bleiben in einem guten Ver­hältnis zuein­ander.

Dafür möchte ich zum Abschluss einen Mann zu Wort kommen lassen, der das säch­si­sche Gesetz aber auch das Bay­ri­sche Poli­zei­auf­ga­ben­ge­setz gut kennt, weil er in beiden Gesetz­ge­bungs­ver­fahren als Sach­ver­stän­diger gewirkt hat.

Es ist der bay­ri­sche Richter am LG Mün­chen I, Markus Löf­fel­mann.
Einige Ände­rungs­vor­schläge von ihm haben wir übri­gens umge­setzt.

Aber Richter Löf­fel­mann beklagte in einer Anhö­rung im bay­ri­schen Landtag zum BayPAG einen Para­dig­men­wechsel. Ihm zufolge erhalte jeder baye­ri­sche Poli­zist mehr Befug­nisse bei der Gefah­ren­ab­wehr als das Bun­des­kri­mi­nalamt im Kampf gegen den Terror.

In der Anhö­rung zum Sächs­PolG sagte er wört­lich:

„Vor diesem Hin­ter­grund sehe ich in dem gegen­ständ­li­chen Ent­wurf eines Poli­zei­voll­zugs­dienst­ge­setzes eine durchaus erfreu­liche Aus­nah­me­erschei­nung; denn dieser Ent­wurf ent­hält sich weit­ge­hend dem Bestreben, neue ein­griffs­in­ten­sive und ver­fas­sungs­recht­lich heikle poli­zei­liche Befug­nisse zu schaffen, son­dern er setzt mehr auf struk­tu­relle Neue­rungen, die die Rechts­ma­terie besser hand­habbar machen. Der Ent­wurf lässt nach meinem Ein­druck durch­gängig ein Bemühen um ein aus­ge­wo­genes Ver­hältnis zwi­schen der Ein­griffs­in­ten­sität in poli­zei­liche Befug­nisse und den Frei­heits­in­ter­essen Betrof­fener erkennen. Dieser defen­sive Ansatz ist meines Erach­tens zu begrüßen …“  (S. 19, Wort­pro­to­koll zur öffent­li­chen Anhö­rung vom 19.11.2018 zum GesE)

Meine Damen und Herren,

dem muss ich nichts hin­zu­fügen.
Die SPD-Frak­tion stimmt dem Gesetz zu.

Am 10. April hat der Landtag ein neues Poli­zei­recht beschlossen (Druck­sache 6/13351 und 6/17260).

Dazu erklärt unser Innen­ex­perte Albrecht Pallas:

„Die SPD ist 2014 ange­treten, um die Poli­zei­ar­beit in Sachsen besser zu machen. Zunächst mussten wir den schwarz­gelben Scher­ben­haufen auf­kehren, haben den Stel­len­abbau bei der Polizei gestoppt und die Ein­stel­lungs­zahlen von 300 auf 700 pro Jahr mehr als ver­dop­pelt. Wir haben den Poli­zeibau ange­kur­belt und sorgen für eine moderne Aus­stat­tung. Das heute beschlos­sene Poli­zei­ge­setz ist in dieser Legis­latur der letzte Bau­stein, um bei unserem Ziel, der bes­seren Polizei, deut­lich vor­an­zu­kommen“, so Innen­ex­perte Albrecht Pallas am Mitt­woch zum Beschluss des Poli­zei­ge­setzes. 

Zur Ent­ste­hung des Gesetzes führt Pallas aus: „Das Poli­zei­ge­setz ist zwei­fels­ohne eines der bedeu­tendsten Geset­zes­vor­haben dieser Koali­tion. Und gleich­zeitig eines der umstrit­tensten. Die SPD hat jede Kritik, egal ob kon­struk­tiver Ände­rungs­vor­schlag oder pau­schale Ableh­nung, immer sehr genau geprüft. Und wir haben den Gesetz­ent­wurf an vielen Stellen geän­dert. Und auch die Anhö­rungen haben dazu wert­volle Anre­gungen gelie­fert. Das betrifft zum einen Trans­pa­renz und Kon­trolle und zum anderen z.B. die Rege­lungen zur auto­ma­ti­sierten Kenn­zei­chen­er­fas­sung.“

In Bezug auf viel­fach geäu­ßerte Kritik stellt Pallas klar: „Die SPD will, dass die säch­si­sche Polizei auch in Zukunft hand­lungs­fähig ist. Gleich­zeitig soll die Polizei nur die Befug­nisse bekommen, die sie benö­tigt und in ihrem Grund­rechts­ein­griff ange­messen ist. Die Polizei muss nicht alle tech­nisch mög­li­chen Befug­nisse bekommen, son­dern die rich­tigen. So ver­zichten wir, im Gegen­satz zu anderen Poli­zei­ge­setzen, auf pla­ka­tive, jedoch ver­fas­sungs­recht­lich frag­wür­dige Befug­nisse wie die ver­deckte Handy-Über­wa­chung mit­tels Staats­tro­janer (QTKÜ), die Online-Durch­su­chung oder einen sog. Ewig­keits-Gewahrsam, wie ihn etwa der Frei­staat Bayern ein­ge­führt hat. Der SPD geht es  darum, die Sicher­heits­aspekte mit den Frei­heits­aspekten zugleich in einem ange­mes­senen Ver­hältnis zu halten. Ich finde, das ist uns gelungen.“

„Der Staat muss in begrün­deten Fällen in die Grund­rechte seiner Bür­ge­rinnen und Bürger ein­greifen dürfen. Aber dies muss mit mög­lichst offenem Visier geschehen und gericht­lich über­prüfbar sein. Das macht den Rechts­staat aus! Des­wegen sind die SPD und ich für die Kenn­zeich­nungs­pflicht für Poli­zei­be­amte und die Stär­kung der Poli­zei­li­chen Beschwer­de­stelle. Es ist bekannt, dass die CDU diese rechts­staat­liche Nor­ma­lität ablehnt. Wir setzen uns, auch nach Beschluss des Gesetzes, weiter für eine anony­mi­sierte Kenn­zeich­nung ein!“, so Pallas abschlie­ßend.