Der Fall Maier

15. März 2022

Der Fall „Richter Jens Maier” sorgt der­zeit, völlig zurecht, für viel Gesprächs­stoff. Seit dem 14. März 2022 ist er nun wieder im Dienst – am Amts­ge­richt Dip­pol­dis­walde. 

Für unsere Frak­tion ist das untragbar. Ein Rechts­extre­mist sollte nicht als Richter tätig sein. 

Die SPD-Frak­tion hat dazu immer die Auf­fas­sung ver­treten, dass alle Mög­lich­keiten genutzt werden müssen, um den Dienst­an­tritt zu ver­hin­dern.

Um eine juris­ti­sche Ein­schät­zung zu den Mög­lich­keiten zu bekommen, hat die SPD-Frak­tion Anfang Februar ein Gut­achten in Auf­trag gegeben. Die Ergeb­nisse dieses Gut­ach­tens liegen nun vor. Es stützt unsere Auf­fas­sung, dass die Wie­der­ein­set­zung von Jens Maier hätte ver­hin­dert werden können und müssen. 

Das Gut­achten stellen wir auf dieser Seite zum Down­load bereit.

Hanka Kliese

Stell­ver­tre­tende Frak­ti­ons­vor­sit­zende und Spre­cherin für Justiz, Recht und Ver­fas­sung

Die Wie­der­ein­set­zung von Jens Maier hätte ver­hin­dert werden können und müssen. Ein Gut­achten, das im Auf­trag der SPD-Frak­tion erstellt wurde, zeigt, dass dies mög­lich gewesen wäre.

Das Gutachten

  • Das Gut­achten macht deut­lich, dass Jens Maier auf­grund der Treu­wid­rig­keit seines Antrags auf Rück­füh­rung keinen Bescheid zur Wie­der­ein­set­zung hätte erhalten müssen.
  • Durch die bereits erfolgte Ver­be­schei­dung und die Zuwei­sung zu einer Dienst­stelle – und somit der Abschluss des Ver­fah­rens – hat das Jus­tiz­mi­nis­te­rium die Mög­lich­keit ver­wirkt, einen Extre­misten aus dem Rich­teramt zu ent­fernen bzw. ihn aus dem Amt zu halten
  • Jens Maier hätte sich ansonsten ein­klagen müssen, um wieder als Richter tätig sein zu können.
  • Auf­grund der wahr­schein­li­chen Ver­fah­rens­dauer hätte er vor­aus­sicht­lich nur noch wenige Jahre oder gar Monate Recht spre­chen können – sofern das Gericht seine Nicht­wie­der­ein­set­zung denn über­haupt als unrecht­mäßig beur­teilt und er in der Kon­se­quenz ein Rich­teramt hätte zuge­teilt bekommen müssen
  • Wäre eine Nicht­ein­set­zung in einem Revi­si­ons­ver­fahren als unrecht­mäßig beur­teilt worden, wäre die Mög­lich­keit der Eröff­nung eines Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens gegen Jens Maier davon unbe­rührt geblieben

Das Gut­achten von Dr. von Roet­teken zum Down­load (PDF)

Ausblick

Um für die Zukunft Rechts­si­cher­heit für solche Fälle errei­chen zu können, müssen das Säch­si­sche Abge­ord­ne­ten­ge­setz, das Säch­si­sche Beam­ten­ge­setz und auch das Säch­si­sche Rich­ter­ge­setz drin­gend ange­passt werden.  

Die ver­fas­sungs­recht­liche Treue­pflicht unserer Staats­be­diens­teten und ins­be­son­dere Richter:innen ist ein Garant für den Schutz unserer frei­heit­li­chen demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung und unseres Rechts­staates. Wir müssen alles dar­an­setzen, die Rück­kehr von ehe­ma­ligen Man­dats­trä­gern mit extre­mis­ti­scher Gesin­nung in den Staats­dienst künftig zu ver­hin­dern.

Um die Wie­der­ein­set­zung von ehe­ma­ligen Mandatsträger:innen mit extre­mis­ti­scher Gesin­nung in den Staats­dienst nach­haltig zu ver­hin­dern, sollten die not­wen­digen Gesetze auf Bundes- und Lan­des­ebene geän­dert werden:

a) Klar­stel­lung, dass Beamt:innen/ Richter:innen für die Rück­füh­rung den Ein­tritt für die FDGO gewähr­leisten müssen, Novelle des Säch­si­sche Abge­ord­ne­ten­ge­setzes

§ 31 „Wie­der­ver­wen­dung nach Been­di­gung des Man­dats“

Es sollte darin fest­ge­schrieben werden, dass Antrag­stel­lende die Bedin­gungen wei­terhin erfüllen müssen, die die in § 7 Satz 1 und Satz 2 des Beam­ten­sta­tus­ge­setzes als Vor­aus­set­zungen des Beam­ten­ver­hält­nisses defi­niert sind, und ent­spre­chend dürfte nur wieder ein­ge­setzt werden, wer u. a. „die Gewähr dafür bietet, jeder­zeit für die frei­heit­liche demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung im Sinne des Grund­ge­setzes ein­zu­treten“

b) Ver­an­ke­rung einer Regel­über­prü­fung im Säch­si­schen Beam­ten­ge­setz und Säch­si­schen Rich­ter­ge­setz

Bei Antrag­stel­lungen zur Wie­der­ein­set­zung ehe­ma­liger Man­dats­träger in den Beam­ten­dienst bzw. den Rich­ter­dienst sollte eine Regel­über­prü­fung vor­ge­nommen werden; d. h., es sollte eine Abfrage beim Ver­fas­sungs­schutz zu Antragsteller:innen erfolgen

c) Bei Kom­mu­nalen Wahl­be­amten: Vor­schalt­me­cha­nismus vor der Ernen­nung ein­führen

Um der Ernen­nung von extre­mis­ti­schen Wahl­be­amten, z. B. Land­räten, ent­ge­gen­treten zu können, sollte der Ver­gabe der Ernen­nungs­ur­kunde ein Prüf­me­cha­nismus vor­ge­schalten werden

Hierzu wäre eine Ände­rung des Säch­si­sches Kom­mu­nal­wahl­rechts zu über­legen wie sie Meck­len­burg-Vor­pom­mern in § 66 seines Kom­mu­nal­wahl­ge­setz (LKWG M‑V) vor­sieht, wo ins­be­son­dere die Gewähr für die Ver­fas­sungs­treue als Wähl­bar­keits­vor­aus­set­zung durch den Wahl­aus­schuss bei einem Wahl­vor­schlag fest­ge­stellt werden muss; der Ver­lust dieser Ver­fas­sungs­treue ist spie­gel­bild­lich auch ein Grund für einen spä­teren Ver­lust des Amtes (§ 69 Nr. 4 LKWG M‑V) 

Das zu novel­lie­rende Säch­si­sche Beam­ten­ge­setz sollte im Abschnitt für die Kom­mu­nalen Wahl­be­amten (§§ 145ff.) ange­passt werden; sofern diese die Vor­aus­set­zungen der ver­fas­sungs­recht­li­chen Treue­pflicht nach § 7 Satz 2 des Beam­ten­sta­tus­ge­setz nicht erfüllen, könnten die tat­säch­liche Ernen­nung durch die Selbst­ver­wal­tungs­kör­per­schaft abge­lehnt werden

Albrecht Pallas

Albrecht Pallas, Spre­cher für Innen­po­litik und Kom­mu­nales: 

Wir müssen ver­hin­dern, dass Ver­fas­sungs­feinde im öffent­li­chen Dienst oder als kom­mu­nale Wahl­be­amte, also als Bürgermeister:innen, Landrät:innen oder Bei­geord­nete, tätig werden können. Zum Schutz der kom­mu­nalen Demo­kratie brau­chen wir daher eine Regel­ab­frage beim Ver­fas­sungs­schutz bei Antragsteller:innen auf Wie­der­ein­set­zung. Für kom­mu­nale Wahlbeamt:innen brau­chen wir ein Vor­schalt­ver­fahren, um solche extre­mis­ti­schen Per­sonen ablehnen zu können. Denn die Kom­munen mit ihren Verantwortungsträger:innen sind die Boll­werke unserer Demo­kratie. Kom­munal- und beam­ten­recht­liche Rege­lungen müssen dafür ange­passt werden.

Chronik des Falls „Maier”

Mitte Dezember 2021:

Jens Maier stellt beim Jus­tiz­mi­nis­te­rium nach § 6 AbgG frist­ge­recht einen Antrag auf Wie­der­ver­wen­dung nach Been­di­gung seines Man­dats als Richter.

14. Januar 2022:

SPD-Frak­tion im Säch­si­schen Landtag stößt die Debatte um die mög­liche Nicht­wie­der­ein­set­zung eines Rechts­extremen in den Staats­dienst an.

Anfang Februar 2022

Die SPD-Frak­tion beauf­tragt ein Gut­achten, um alle Mög­lich­keiten juris­tisch aus­loten zu lassen, damit eine Wie­der­ein­set­zung Maiers ver­hin­dert werden kann. 

Hanka Kliese (7. Februar 2022), dpa:

„Jens Maier darf nicht in den Rich­ter­dienst zurück­kehren. Die SPD-Frak­tion teilt die Auf­fas­sung des Ausch­witz-Komi­tees, dass es uner­träg­lich wäre, wenn ein Rechts­extre­mist wie Jens Maier wieder Urteile „im Namen des Volkes” fällt”, sagte SPD-Vize­frak­ti­ons­chefin Hanka Kliese der dpa.

Das Jus­tiz­mi­nis­te­rium müsse alles dafür tun, dass Maier nicht wieder in den Jus­tiz­dienst zurück­kehre. „Auch wenn es dazu keine ein­heit­liche juris­ti­sche Auf­fas­sung dazu gibt, sollte man alle Mög­lich­keiten aus­schöpfen.”

Falls Maier letzt­end­lich doch ins Rich­teramt zurück­kehre, blieben die Optionen einer Dis­zi­pli­nar­klage und einer Rich­ter­an­klage, sagte Kliese. Ein Antrag zur Erhe­bung einer Rich­ter­an­klage müsse von einem Drittel der Mit­glieder des Land­tages ein­ge­bracht werden, das wären 40 Abge­ord­nete. Die SPD-Frak­tion würde so einen Antrag mit­tragen. „Wir werden dazu Gespräche in der Koali­tion führen. Auch wenn dieser juris­ti­sche Weg zum Schutze der wehr­haften Demo­kratie noch nie begangen wurde, so müssen wir ihn ein­schlagen. Wir werden uns nicht vor­werfen lassen, nicht alles ver­sucht zu haben”, sagte Kliese.

https://www.sueddeutsche.de/politik/extremismus-dresden-fraktionen-ausloten-von-richteranklage-gegen-jens-maier-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101–220207-99–14585

 

11. Februar 2022

Das Jus­tiz­mi­nis­te­rium weist Jens Maier das Amts­ge­richt Dip­pol­dis­walde als Dienst­stelle zu und stellt einen Antrag, den Richter am Land­ge­richt a.D. gemäß § 46 und § 47 Säch­si­sches Rich­ter­ge­setz in Ver­bin­dung mit § 30 und § 35 Deut­sches Rich­ter­ge­setz im Inter­esse der Rechts­pflege in den Ruhe­stand zu ver­setzen und im ab dem 14. März 2022 (hilfs­weise später) vor­läufig die Füh­rung der Dienst­ge­schäfte zu unter­sagen.

https://​www​.medi​en​ser​vice​.sachsen​.de/​m​e​d​i​e​n​/​n​e​w​s​/​1​0​3​7​761

 

Hanka Kliese (12. Februar 2022):

„Wir sind sehr über­rascht, dass das Minis­te­rium jetzt so eilig gehan­delt hat. Aus unserer Sicht hätten alle Alter­na­tiven geprüft werden müssen – und es standen viele im Raum, z.B. auch eine Nicht­wie­der­ein­set­zung.  Dieser nun erfolgte Vor­griff des Jus­tiz­mi­nis­te­riums ist mehr als bedau­er­lich.“

https://​www​.frei​e​presse​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​s​a​c​h​s​e​n​/​m​e​h​r​-​a​l​s​-​b​e​d​a​u​e​r​l​i​c​h​-​s​a​c​h​s​e​n​s​-​s​p​d​-​k​r​i​t​i​s​i​e​r​t​-​j​u​s​t​i​z​m​i​n​i​s​t​e​r​i​u​m​-​i​m​-​f​a​l​l​-​m​a​i​e​r​-​a​r​t​i​k​e​l​1​1​9​9​3​306

11. März 2022

Das Jus­tiz­mi­nis­te­rium infor­miert, dass über den Antrag, dem Richter am Land­ge­richt a.D. Jens Maier vor­läufig die Füh­rung der Amts­ge­schäfte zu unter­sagen, aus pro­zes­sualen Gründen nicht vor dem 14. März 2022 ent­schieden werden kann.
Grund: Jens Maier lässt sich durch einen Rechts­an­walt in Köln ver­treten, dem Akten­ein­sicht über das Amts­ge­richt Köln gewährt wird.

https://​www​.medi​en​ser​vice​.sachsen​.de/​m​e​d​i​e​n​/​n​e​w​s​/​1​0​3​9​548

 

Hanka Kliese (11. März 2022):

„Die SPD-Frak­tion hat von Anfang an die Posi­tion ver­treten, dass Maier nicht in den Jus­tiz­dienst zurück­kehren darf. Wir haben stets dafür plä­diert, dass alle Mög­lich­keiten aus­ge­schöpft werden müssen. Leider ist die Frage nun unver­meidbar, ob der Weg des Jus­tiz­mi­nis­te­riums der rich­tige war. Wir sollten uns nun gemeinsam Gedanken machen, wie mit zukünf­tigen Fällen umge­gangen wird, damit so etwas nicht noch einmal pas­siert.“

https://www.sueddeutsche.de/politik/extremismus-chemnitz-ex-afd-abgeordneter-maier-kehrt-vorlaeufig-in-justiz-zurueck-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101–220311-99–479494

 

14. März 2022

Dienst­an­tritt Jens Maier als Richter am Amts­ge­richt Dip­pol­dis­walde.

Das Land­ge­richt Dresden leitet Dis­zi­pli­nar­ver­fahren gegen Jens Maier ein

https://​www​.medi​en​ser​vice​.sachsen​.de/​m​e​d​i​e​n​/​n​e​w​s​/​1​0​3​9​669

 

22. März 2022

Die Bünd­nis­grüne-Frak­tion im Landtag stellt ein Gut­achten zur Rich­ter­an­klage vor. 

Hanka Kliese (22. März 2022):

„Wir sind dafür, eine Rich­ter­an­klage vor­zu­be­reiten. Wir haben immer deut­lich gemacht, dass alle Mög­lich­keiten aus­ge­schöpft werden müssen, um einen rechts­extremen Richter wie Jens Maier aus dem Jus­tiz­dienst zu halten. Dazu zählt auch die Rich­ter­an­klage.“