SPD-Bildungspolitikerin Friedel: „Wir verbeamten Lehrer aus Notwehr”

8. Juli 2021

Seit Anfang 2019 werden in Sachsen Lehrer*innen ver­be­amtet. Die SPD-Frak­tion hatte zuvor einem Kom­pro­miss zuge­stimmt, um den Leh­rer­mangel zu bekämpfen. Auf unser Drängen wurde die Ver­be­am­tung auf fünf Jahre befristet und wird nun gerade eva­lu­iert.
Warum die Ver­be­am­tung nach unserer Ansicht nicht fort­ge­führt werden sollte, erläu­tert unsere Bil­dungs­po­li­ti­kerin Sabine Friedel im Inter­view mit der Freien Presse, das wir hier doku­men­tieren.

Artikel zum Thema bei Freie Presse und Leip­ziger Volks­zei­tung:

Dresden. Schon 2018 trug Sach­sens SPD-Land­tags­frak­tion die Ent­schei­dung für die Leh­rer­ver­be­am­tung nur mit Bauch­schmerzen mit. Zur Ver­län­ge­rung über 2023 hinaus ist ihre Bil­dungs­po­li­ti­kerin Sabine Friedel nur „not­falls” bereit. Mit ihr sprach Tino Moritz.

Freie Presse: Seit zwei­ein­halb Jahren ver­be­amtet Sachsen seine Lehrer. Ist inzwi­schen auch die SPD vom Erfolg über­zeugt?

Sabine Friedel: Nein. Wir haben ja immer gesagt: Wir ver­be­amten nicht aus Über­zeu­gung, son­dern aus Not­wehr – weil alle anderen Bun­des­länder außer Berlin es auch tun.

Nur ist die Maß­nahme in Sachsen bis Ende 2023 befristet und die Ver­be­am­tung teuer. Zudem hat sich Sachsen zur Corona-Bekämp­fung massiv ver­schuldet …

Des­halb wäre es ver­nünftig, diesen teuren Weg zu beenden. Aber: Solange alle anderen Bun­des­länder weiter ver­be­amten, wird Sachsen es sich nicht leisten können, nicht mehr zu ver­be­amten – Eva­lu­ie­rung hin oder her.

Das heißt, die dieses Jahr fäl­lige Eva­lu­ie­rung ist über­flüssig?

Na ja, das Ergebnis kenne ich schon vorher: Es wird natür­lich her­aus­kommen, dass es Sachsen besser als früher gelingt, den Lehr­kräf­te­be­darf zu decken – auch wenn die Kosten damit steigen.

Und wie weiter, was schlagen Sie kon­kret vor?

Ich würde mir wün­schen, dass Sachsen eine bun­des­weite Debatte zur Abschaf­fung der Ver­be­am­tung anstößt. Da bietet Corona doch eine Rie­sen­chance. Immerhin kostet eine ver­be­am­tete Lehr­kraft den Staat vor allem wegen der Rück­lagen für Pen­sionen pro Jahr 13.000 Euro mehr als eine ange­stellte. Volks­wirt­schaft­lich ist das blanker Unsinn, diese gut ver­die­nende Gruppe sowohl den gesetz­li­chen Kran­ken­kassen als auch dem Ren­ten­system zu ent­ziehen.

Auf diese Argu­mente setzte die SPD schon 2018 ver­geb­lich …

Trotzdem waren sie auch damals schon richtig. Nach dem Beam­ten­sta­tus­ge­setz des Bundes soll nur ver­be­amtet werden, wessen Beruf im Ange­stell­ten­ver­hältnis nicht ebenso gut gemacht werden kann. Das trifft fraglos auf Poli­zisten und Feu­er­wehr­leute zu – aber eben nicht auf Lehr­kräfte. Das hat Sachsen ja knapp 30 Jahre gezeigt, ohne Ver­be­am­tung wird man trotzdem Pisa-Sieger. Sachsen könnte im Bil­dungs­be­reich so viel Geld sinn­voller aus­geben für mehr Lehr­kräfte oder das Absenken des Pflicht­stun­den­maßes.

Halten Sie denn die Abschaf­fung des Berufs­be­am­ten­tums bei Leh­rern für rea­lis­tisch?

In knapp zwei­ein­halb Jahren, die bis Ende 2023 noch bleiben, wird man es nicht schaffen, eine solche bun­des­weite Ent­schei­dung her­bei­zu­führen. Aber starten muss man das – und not­falls die Lehrer-Ver­be­am­tung in Sachsen noch mal um ein paar Jahre ver­län­gern.

Würden die Lehrer gegen die Abschaf­fung der Ver­be­am­tung nicht auf die Bar­ri­kaden gehen?

Den Reflex der Ableh­nung wird es von allen Seiten geben. Aber wenn die Dis­kus­sion nicht unter der Prä­misse geführt wird, Geld zu sparen, son­dern unter der, dass es dem Bil­dungs­system an anderer Stelle zugu­te­kommt und Lehrer irgend­wann mal nur noch 20 statt 26 Wochen­stunden unter­richten müssen, dann ist es auch für Lehrer ver­lo­ckend.

 

Quelle: https://​www​.frei​e​presse​.de/​n​a​c​h​r​i​c​h​t​e​n​/​s​a​c​h​s​e​n​/​s​p​d​-​b​i​l​d​u​n​g​s​p​o​l​i​t​i​k​e​r​i​n​-​f​r​i​e​d​e​l​-​w​i​r​-​v​e​r​b​e​a​m​t​e​n​-​l​e​h​r​e​r​-​a​u​s​-​n​o​t​w​e​h​r​-​a​r​t​i​k​e​l​1​1​5​9​1​072