Dem Reden muss ein Handeln folgen

29. Februar 2016

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Dirk Panter, Vor­sit­zender der SPD-Frak­tion im Säch­si­schen Landtag, in der Aus­sprache zur Regie­rungs­er­klä­rung des Minis­ter­prä­si­denten „Starker Staat und aktive Bürger: Gemeinsam unsere Werte ver­tei­digen und Radi­ka­li­sie­rung bekämpfen“:

 

+++ Wir werden in dieser Koalition gemeinsam handeln +++ Vorstellung der Vorschläge der SPD-Fraktion am Mittwoch +++

+++ Es gilt das gespro­chene Wort +++

„Ich habe nie Hass, Abnei­gung, Hetze oder so was erlebt – und dann bin ich in meinem eigenen Land und muss in solche hass­erfüllten Gesichter gucken. In meinem Land.

Dieses Bild dieser Köpfe – man hat ja gar keine Körper mehr gesehen. Es waren nur noch Köpfe! Es kommt immer wieder hoch.“

Das sind nicht meine Worte, son­dern die Worte von Wolfram Fischer, einem ehren­amt­li­chen Helfer der mit den Flücht­lingen im Bus in Claus­nitz saß. Er war dort, er war mitten drin.

Wir hier haben alle nur die Bilder gesehen, diese uner­träg­li­chen Bilder.

Ein Mob der hass­erfüllte Parolen skan­diert.

Men­schen die Angst um ihr Leben haben.

In Sachsen.

Im Jahr 2016.

Ja, Sachsen hat viel erreicht in den letzten 25 Jahren. Der Wie­der­aufbau des Landes, die wirt­schaft­liche Ent­wick­lung – die Men­schen können zu recht auf das Erreichte Stolz sein!

Trotzdem läuft etwas falsch in diesem Land.

  • Wenn es hof­fähig wird, das Woche für Woche hass­erfüllte Parolen und Dro­hungen von soge­nannten „besorgten Bür­gern“ skan­diert  werden
  • Wenn es schreck­liche Nor­ma­lität wird, dass Häuser brennen weil Flücht­linge ein­ziehen sollen.
  • Wenn Sachsen abso­luter Spit­zen­reiter bei rechter Gewalt in Deutsch­land ist

und ganz kon­kret:

  • Wenn ein 11jähriger Junge in Lim­bach auf dem Weg zur Turn­halle von zwei Män­nern ver­prü­gelt wird, nur weil er Syrer ist,

dann können wir das nicht nur als Rand­notiz zur Kenntnis nehmen

Dann haben wir ein gesell­schaft­li­ches Pro­blem in unserem Frei­staat.

Die her­vor­ra­genden Kenn­zif­fern im wirt­schaft­li­chen Bereich können nicht dar­über hin­weg­täu­schen: in unserem Frei­staat man­gelt es man­cher­orts an mora­li­schen Kenn­zif­fern!

Wenn der Bautz­ener Ober­bür­ger­meister Alex­ander Ahrens sagt, es muss in der Ver­gan­gen­heit einiges schief gelaufen sein, dann kann ich ihm nur bei­pflichten. Er meint, dass in der Ver­gan­gen­heit viel zu lange rela­ti­viert wurde, dass den geis­tigen Brand­stif­tern nicht ent­schieden genug ent­gegen getreten wurde.

Wenn der Minis­ter­prä­si­dent sagt, wir haben ein Pro­blem mit Ras­sismus und Frem­den­feind­lich­keit, dann ist das richtig. Mag sein das einige das gerne früher gehört hätten, aber es ändert nichts an der Rich­tig­keit der Aus­sage.

Wenn dann einige wei­terhin die Augen ver­schließen und meinen, wir bräuchten keine Beleh­rungen, dann wün­sche  ich mir statt­dessen mehr Demut

Wir, die Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker, haben eine ganz beson­dere Ver­ant­wor­tung für das, was in Sachsen pas­siert. Diese Ver­ant­wor­tung beginnt auch mit unserer Sprache.

Sprache kann ernst nehmen oder rela­ti­vieren.

Sie kann sach­lich sein oder mit dem Feuer spielen.

Sie kann Sorgen dämpfen oder Wut anheizen.

Ja, wir  müssen die Sorgen und Nöte der Men­schen ernst nehmen und dar­über spre­chen. Wir dürfen Men­schen nicht in eine Ecke stellen, nur weil sie womög­lich nicht so aus­ge­wogen und intel­lek­tuell argu­men­tieren wie man­cher Poli­tiker, richtig.

Trotzdem macht der Ton die Musik. Dieses Ver­ständnis hat Grenzen. Wer Sorgen in ange­mes­sener Form äußert muss ernst genommen werden. Wer nur vor­gibt Sorgen zu haben, aber Anders­den­kende und Flücht­linge nie­der­brüllt,  dem müssen wir klar sagen: hier ist die Grenze erreicht und die ist nicht ver­han­delbar.

Es gibt ein Recht auf freie Mei­nungs­äu­ße­rung. Aber es gibt kein Recht auf Beschimp­fung, Belei­di­gung oder Bedro­hung.

Ich habe unsere Ver­ant­wor­tung ange­spro­chen. Dazu gehört, sich ein­zu­ge­stehen, dass wir zwar schon sehr oft in diesem Haus über Ras­sismus, Frem­den­feind­lich­keit und rechts­extreme Gewalt debat­tiert haben, im Ergebnis die Situa­tion bis heute aber nicht wirk­lich besser geworden ist.

Das beschämt mich.

Mein Ein­druck ist, dass zu lange weg­ge­schaut wurde, bis in die jüngste Zeit. Auch Hei­denau und Freital wurden von einigen nicht ernst genug genommen. Und jetzt kamen Claus­nitz und Bautzen und plötz­lich stehen wir wieder im Fokus – diesmal sogar der Welt­öf­fent­lich­keit.

Nun ist es nicht so, dass in der Ver­gan­gen­heit gar nichts getan wurde. Nur eben offen­sicht­lich nicht genug. Von uns wird erwartet, dass wir jetzt han­deln, des­halb sitzen wir auch heute in dieser Son­der­sit­zung zusammen.

Klar ist aber schon in diesem Moment: Egal was wir jetzt kurz­fristig tun, es wird den nächsten Brand­an­schlag, den nächsten Über­fall nicht ver­hin­dern. Die Sta­tistik frem­den­feind­li­cher Gewalt in Sachsen wird wahr­schein­lich weiter wachsen.

Maß­nahmen, die wir jetzt ergreifen, werden ihre Wir­kung erst mit­tel­fristig zeigen.

Genau des­halb ist JETZT ent­schlos­senes Han­deln gefragt.

Kon­krete Maß­nahmen sind nötig statt immer nur Ankün­di­gungen.

Es ist not­wendig, dass auch wir als poli­ti­sche Ver­ant­wor­tungs­träger klare Zei­chen setzen.

  • Klare Zei­chen, dass unser Staat hand­lungs­fähig ist.
  • Dass unser Staat für Sicher­heit und sozialen Frieden sorgen kann.
  • Dass unserem Staat an der Bil­dung und Her­zens­bil­dung der Bevöl­ke­rung liegt.
  • Und dass unser Staat eine starke, inte­gra­tive und demo­kra­ti­sche Gesell­schaft braucht, die ihn trägt.

Zei­chen zu setzen heißt: Reden und Han­deln. Wir for­dern des­halb:

  1. Den Staat zu stärken
  2. Inte­gra­tion end­lich zu beginnen
  3. Poli­ti­sche Bil­dung aus­zu­bauen
  4. Zivil­ge­sell­schaft zu unter­stützen

In allen diesen Berei­chen haben wir kon­krete Vor­schläge.

Wenn wir den Staat und die Gesell­schaft stärken wollen dann muss end­lich Schluss sein mit Staats­abbau, der nach­hal­tigen Schwä­chung des Sozi­al­staates, mit Poli­zei­abbau, mit Per­so­nal­ein­spa­rungen mit dem Rasen­mäher in der Ver­wal­tung und Per­so­nal­mangel im Bil­dungs­system.

Wenn wir Inte­gra­tion end­lich beginnen wollen, dann müssen wir das Maß­nah­me­paket Inte­gra­tion jetzt ver­ab­schieden und ordent­lich finan­zieren! Damit v.a. die Arbeit von Petra Köp­ping und Markus Ulbig im Bereich Erst­auf­nahme und Inte­gra­tion auf die rich­tigen Füße gestellt wird!

Wenn wir Bil­dung als wich­tigen Bau­stein für die Zukunft unseres Landes begreifen, dann müssen wir unsere Lehr­pläne über­ar­beiten und uns stärker an der Anwend­bar­keit und Lern­kom­pe­tenz ori­en­tieren. Wir müssen die ethi­schen, poli­ti­schen und kul­tu­rellen Bil­dungs­aspekte stärken.

Wenn wir unsere Zivil­ge­sell­schaft unter­stützen wollen, dann müssen wir die Mul­ti­pli­ka­to­rinnen und Mul­ti­pli­ak­toren in Ver­einen, Kir­chen, Feu­er­wehren, Sport etc. unter­stützen. Zum Bei­spiel durch eine eigene Lan­des­in­itia­tive.

Diese und noch viele andere Vor­schläge haben wir Sozi­al­de­mo­kraten UND wir werden sie zur Dis­kus­sion stellen.

Natür­lich wollen wir mög­lichst viele Vor­schläge umsetzen, für alle Säch­sinnen und Sachsen. Denn es geht hier bei Leibe nicht nur um Flücht­lings­po­litik. Es geht um alle Men­schen in diesem Land – um ein lebens­wertes Sachsen für alle!

Aller­dings haben wir die Weis­heit nicht gepachtet. Wir erheben weder Anspruch auf Voll­stän­dig­keit noch ver­langen wir, dass jeder ein­zelne Vor­schlag umge­setzt wird. Wir sind auch offen für wei­tere Ideen.

Aber wichtig ist uns:

Dem Reden muss ein Han­deln folgen!

Oder lassen sie es mich anders sagen:

Wir alle werden uns in 10, 20 Jahren Fragen lassen müssen, was wir als poli­tisch Ver­ant­wort­liche in dieser für Sachsen so schwie­rigen Situa­tion getan haben.

Was wir getan haben

  • um den Ras­sismus in diesem Land zu bekämpfen,
  • um allen Men­schen ein wür­diges Leben zu ermög­li­chen und
  • um das Ver­trauen in die Demo­kratie zu stärken.

In dieser Situa­tion ist nichts tun keine Option!

Wir werden uns alle in diesem Raum daran messen lassen müssen, was wir getan haben – und was wir unter­lassen haben!

Und des­halb sage ich:

Wir werden in dieser Koali­tion gemeinsam han­deln!