Die SPD-Fraktion will die Diskussionen um die Vorkommnisse rund um das Landesamt für Verfassungsschutz nach vorn orientieren und die Debatte versachlichen. Das schließt ausdrücklich mit ein, Versäumnisse zu benennen. Es geht aber vor allem um die richtigen Schlussfolgerungen, um eine effektive Kontrolle und Transparenz.
Dazu hat der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Albrecht Pallas, ein Papier vorgelegt, das die Positionen zusammenfasst.
Für einen neuen Verfassungsschutz in Sachsen:
Neue Strukturen – neues Personal – neue Offenheit
Dresden, 13. Juli 2020
Mit der Einsetzung eines neuen Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz bekommt die Behörde eine erneute Chance für einen echten Neuanfang. Mutige, konsequente und wirksame Reformen sind notwendig, damit der sächsische Verfassungsschutz seiner Hauptaufgabe nachkommen kann. Unsere Demokratie braucht ein Frühwarnsystem für demokratiefeindliche Bestrebungen und keine Verwaltung, die den Entwicklungen hinterherläuft. Wenn der Neustart gelingt, kann der Verfassungsschutz in Sachsen Respekt und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.
Die größte Gefahr für unsere freiheitliche und demokratische Gesellschaft kommt von Rechts. Da sind sich die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder einig. Der sächsische Verfassungsschutz muss einen effektiven Beitrag zur Ermittlung, Aufdeckung und Bekämpfung rechtsradikaler, rechtsterroristischer und demokratiefeindlicher Netzwerke und Strukturen leisten. Erkannte Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit müssen nun konsequent so aufgearbeitet werden, dass die sächsischen Behörden künftig Rechtsterrorismus und die Gefahren, die davon und weiterhin bestehenden Netzwerken ausgehen, wirksam ermitteln und verfolgen können und der Verfassungsschutz hier die notwendigen Erkenntnisse sammelt, auswertet und zur Verfügung stellt.
1. Bessere Analysefähigkeit auch durch mehr und besseres Personal
Das Landesamt muss schleunigst mit besser qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass notwendige Aufgaben nicht nur teilweise unzureichend, sondern zuweilen sogar entgegen den Vorgaben der Fachaufsicht durchgeführt wurden. Interne Strukturreformen und neue Abläufe sind notwendig, um die Analysefähigkeit der Behörde weiter zu stärken. In diesem Zusammenhang sollen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, Gefahrenerkennung und wissenschaftlich fundierte Auswertung verfassungsfeindlicher Bestrebungen stärker getrennt werden – nicht zuletzt, damit eine öffentliche Diskussion um aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen besser möglich wird.
2. Stärkung Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) & mehr Transparenz gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit
Der Verfassungsschutz ist naturgemäß weniger transparent als andere Behörden. Doch bei allem Geheimhaltungserfordernis: Die aktuelle Entwicklung und die heutigen Probleme haben ihren Ursprung auch in unzureichenden Aufsichts- und Kontrollmöglichkeiten. Zu einem Neustart der Behörde gehören demnach auch eine wirksamere Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) und mehr Transparenz gegenüber dem Landtag und der Öffentlichkeit.
Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausbau der Kontrolle des Verfassungsschutzes muss zügig umgesetzt werden. Dazu gehört insbesondere die Errichtung einer Fachstelle, welche die PKK bei ihrer Kontrollfunktion unterstützt. Die Rechte der PKK sollen ausgebaut werden. So soll sie beispielsweise prüfen dürfen, ob die Unterrichtungspflichten des Landesamts für Verfassungsschutz im Verfassungsschutzverbund eingehalten werden. Zudem soll sie das Recht erhalten, Einsicht in Akten und Dateien zu nehmen und Amtsangehörige zu befragen. Dazu ist der Kommission auf Verlangen Zutritt zum Landesamt zu gewähren.
Die PKK soll zukünftig vor allem für als geheim eingestufte Angelegenheiten zuständig sein. Alle wesentlichen, nicht geheimhaltungsbedürftigen Fragen der Entwicklung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sollen im Innenausschuss des Sächsischen Landtags behandelt werden. Ähnlich wie auf Bundesebene streben wir an, dass der Präsident des LfV gemeinsam mit dem Landespolizeipräsidenten und dem Präsidenten des Landeskriminalamts einmal im Jahr in einer öffentlichen Anhörung dem Innenausschuss Rede und Antwort zur Sicherheitslage im Land stehen sollen.
3. Zusammenarbeit mit Verfassungsschutzverbund verbessern
Die Anwendung der Handreichung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zum Umgang mit Abgeordnetendaten ist ein erster Schritt zu einer verbesserten Zusammenarbeit des sächsischen Verfassungsschutzes mit den anderen Verfassungsschutzbehörden. Diese muss zukünftig durch einen stärkeren Austausch von Informationen ausgebaut werden. Konkret betrifft dies die Beobachtung der AfD-Teilorganisation „Der Flügel“, dessen Mitglieder sowie deren Aktivitäten und Bestrebungen. Es muss zudem ein länderübergreifendes und bundesweit einheitliches Frühwarnsystem für rechte Gefährder nach dem Vorbild des RADAR-iTE für islamistische Gefährder eingerichtet werden. So können rechtsterroristische Gefahren besser und frühzeitiger erkannt werden.
4. Dienstleister für die Kommunen
Die Kommunen sind vor Ort unmittelbar mit demokratiefeindlichen Umtrieben konfrontiert. Dabei stehen den BürgermeisterInnen durchaus Instrumente zur Verfügung, um neben den Sicherheitsbehörden dagegen vorzugehen. Dazu benötigen sie frühzeitig Informationen über die aktuelle Situation und Aktivitäten in ihrem Ort.
Wir wollen einen Verfassungsschutz, der mit den BürgermeisterInnen und demokratischen AkteurInnen in den Kommunen aktiv und vertrauensvoll zusammenarbeitet. Die Öffnung des Landesamts für Verfassungsschutz gegenüber Kommunen und Institutionen der Zivilgesellschaft halten wir für elementar, vor allem im Hinblick auf die Nutzbarmachung und Weitergabe von Erkenntnissen über verfassungsfeindliche Aktivitäten. Die Beratungstätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz muss in diesen Fällen ausgeweitet werden.