Im September hab uns viele Schreiben erreicht, die auf eine Aktion des Kreiselternrates Chemnitz zurückgehen. Unsere Bildungspolitikerin Sabine Friedel hat auf den Brief geantwortet. Da die Antwort sicher für viele Eltern, Schüler:innen und Lehrer:innen interessant ist, veröffentlichen wir sie hier:
An die
Absenderinnen und Absender
des Briefes „Lehrermangel in Sachsen“
Ihr Schreiben „Lehrermangel in Sachsen“ vom 6. September 2022
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem Schreiben „Lehrermangel in Sachsen“ haben Sie sich an die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag gewandt. Als bildungspolitische Sprecherin meiner Fraktion möchte ich Ihren Brief gern beantworten.
Wir sind uns einig, dass der Mangel an Lehrkräften in Sachsen (und in allen Bundesländern) aktuell eine der größten Herausforderungen in unserer Gesellschaft ist. Und ich möchte mich sehr dafür bedanken, dass Sie konkrete Maßnahmen vorschlagen, die aus Ihrer Sicht umgesetzt werden müssen. Zu diesen Vorschlägen möchte ich gern Stellung nehmen:
(1) Ausbau der Lehrerausbildung in Sachsen, u.a. Ansiedlung der Oberschullehrer-Ausbildung an der TU Chemnitz
Die Lehramtsausbildung wurde in Sachsen seit rund zehn Jahren konsequent ausgebaut. Den ersten Schritt machte die Wiedereinführung der Grundschullehramtsausbildung in Chemnitz. Hierdurch und durch die Erhöhung der Kapazitäten in Leipzig und Dresden stehen jetzt insgesamt mehr als 2.700 Studienplätze zur Verfügung (vor zehn Jahren waren es rund 1.000 Studienplätze). Diese Studienplätze werden auch gut nachgefragt, allerdings stoßen wir mit der jetzigen Zahl an eine Grenze: Bereits heute nehmen rund 15 Prozent aller Abiturientinnen und Abiturienten in Sachsen ein Lehramtsstudium auf. Die Einrichtung weiterer Studienplätze kann diese Zahl nicht mehr steigern. Aktuell bleiben bereits Studienplätze unbesetzt. Gleichwohl wurden verschiedene Maßnahmen zur Regionalisierung der Lehrerbildung angestoßen. So gibt es seit einem Jahr zur Stärkung der beruflichen Bildung die Möglichkeit, an der Hochschule Zwickau, Mittweida oder Zittau/Görlitz ein Studium der Ingenieurpädagogik zu absolvieren, um danach an der TU Dresden das Staatsexamen im berufsbildenden Lehramt zu erwerben. Um an der TU Chemnitz eine Ausbildung von Oberschullehrkräften zügig zu ermöglichen, hat die Koalition den Studiengang „Primarstufe plus“ auf den Weg gebracht. Hier soll eine Kombination aus Grundschul- und Oberschullehramt studiert werden. Um den Aufbau zügig und in Verbindung mit den vorhandenen Ressourcen erreichen zu können, wird sich der Modellstudiengang im ersten Schritt voraussichtlich auf die Fächer Mathematik, Deutsch, Englisch und Sport konzentrieren; ggf. gelingt es auch, das Fach Werken/WTH einzubeziehen. Darüber hinaus hat die Koalition vereinbart, einen Kooperationsstudiengang der Universität Leipzig mit der Hochschule Zittau/Görlitz zu initiieren. Dieser könnte insbesondere Sonderpädagogik mit Fächern der Primarstufe und Sekundarstufe I verbinden. Der Auftrag zur Einrichtung der Studiengänge wurde im Landtag beschlossen und in der Zielvereinbarung mit der Hochschule verankert. Wir hoffen, dass die beiden zuständigen Ministerien –das Wissenschaftsministerium und das Kultusministerium (Lehramtsprüfungsordnung) – die von der Koalition angestrebte Immatrikulation zum Wintersemester 2024/25 umsetzen.
(2) Mehr Personal für Schulassistenten, Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen
Die mit dem Handlungsprogramm 2018 von uns in der Koalition mit der CDU neu eingeführte Schulassistenz hat sich in den vergangenen drei Jahren als echte Erfolgsgeschichte erwiesen. Das freut uns sehr. Inzwischen kämpft auch das Kultusministerium selbst um mehr Personal in diesen Bereichen und eine Untersetzung dieser Programme mit Stellen im Haushalt. Aufgrund der allgemeinen Finanzlage (Corona-Kredite und Tilgungslast, Inflation und Energiekosten) wird mit dem aktuell diskutierten Doppelhaushalt vorerst nur ein leichter Aufwuchs in diesem Bereich gelingen. Wichtig ist uns, dass die Assistenzstellen unbefristet besetzt werden können, denn nur so lässt sich geeignetes Personal binden und halten. Die SPD wird sich auch weiter dafür einsetzen, dass in der Perspektive jede Schule mit einer Schulassistenz und Schulsozialarbeit ausgestattet werden kann und wir so echte multiprofessionelle Teams an unseren Schulen aufbauen. Denn so werden nicht nur die Lehrkräfte entlastet; auch für die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen ist eine solche Begleitung äußerst wichtig.
(3) Nutzung externer Dienstleister, z.B. 1st-Level-IT-Support
Mit der Umsetzung des Digitalpaktes ist es endlich gelungen, die Schulen mit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur auszustatten. Die lange strittige Frage, ob dies eine originäre Aufgabe des Schulträgers (also der Kommunen) oder des Landes ist, hat den Fortschritt auf diesem Gebiet zu lange blockiert. Inzwischen können die Mittel nicht nur für die Anschaffung, sondern auch für den Support eingesetzt werden. Im Juni dieses Jahres schlossen der Freistaat und die kommunalen Spitzenverbände eine Vereinbarung darüber ab, dass sie die Kosten für Anschaffung und Support künftig gemeinsam tragen werden. Hier ist also eine Lösung gefunden, welche die Schulträger in die Lage versetzt, einen leistungsfähigen Support anzubieten. Ob hierfür externe Dienstleister, also Dritte, beauftragt werden oder die Kommune selbst tätig wird, bleibt eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung. Mit seiner finanziellen Beteiligung stellt das Land Sachsen sicher, dass die Aufgabe künftig gut erledigt werden kann. Auf Seiten der Schulen und der Schulträger wird es aus unserer Sicht wichtig sein, konkrete Qualitätsstandards mit den Leistungserbringern zu vereinbaren (z.B. Antwortzeiten). Hier sind die kommunalen Vertretungskörperschaften – also die Stadt- und Gemeinderäte – möglicherweise gut beraten, entsprechende Vorgaben zu beschließen.
(4) Erhöhung der Attraktivität der Lehrerausbildung, z.B. durch „duales Lehramtsstudium“ oder Ausrichtung der Studieninhalte auf das Ausbildungsziel
Die SPD setzt sich seit langem dafür ein, dass nicht nur die Lehrpläne entschlackt und den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht werden, sondern dass sich in gleichem Maße die Anforderungen an die Lehramtsausbildung verändern. Wir sind überzeugt davon, dass die bildungswissenschaftlichen Anteile im Studium steigen müssen und hierfür die fachwissenschaftlichen Bereiche auf jene Felder reduziert werden können, die tatsächlich lehrplanrelevant sind. Durch die vielfältigen Bemühungen zur Einheitlichkeit des deutschen Schulwesens sind hier allerdings Grenzen gesetzt: So hat die Kultusministerkonferenz Standards für die Lehrerbildung beschlossen, welche für alle 16 Bundesländer gelten und das (auf Studienanteile bezogene) Verhältnis zwischen bildungswissenschaftlicher und fachwissenschaftlicher Ausbildung festschreiben. Aus unserer Sicht muss dieses Verhältnis verändert werden, damit die pädagogischen Inhalte des Studiums gestärkt werden können und künftig jede/r Studierenden Grundlagenwissen im Bereich der sonderpädagogischen Förderung und Inklusion, des binnendifferenzierten Unterrichtens und im Umgang mit Heterogenität sowie in den Themen digitale Bildung, politische Bildung und Medienbildung erwerben kann. Es wäre gut, wenn der Freistaat Sachsen hierfür im Rahmen der Kultusministerkonferenz mit starker Stimme sprechen würde. Ein erster wichtiger Schritt wäre es auch, die fachwissenschaftlichen Inhalte der einzelnen Studiengänge stärker auf das Ausbildungsziel auszurichten und dafür zu sorgen, dass die Studieninhalte den Lehrplaninhalten entsprechen. Zu groß sind nach wie vor die Abbruchquoten gerade in den mathematischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen, die vor allem aus fachlicher Überforderung und Überfrachtung resultieren. Abhilfe kann hier eine Reform der Lehramtsprüfungsordnung (LAPO I) schaffen, welche wir seit langer Zeit vom Kultusministerium einfordern.
(5) Ausbau des FSJ Pädagogik
Das FSJ Pädagogik wurde vor inzwischen fast zehn Jahren im Freistaat Sachsen eingeführt und hat sich seither als Erfolgsmodell bewiesen. In den zurückliegenden Doppelhaushalten wurde die Anzahl der Plätze stetig ausgebaut und auch der diesjährige Regierungsentwurf sieht einen Aufwuchs der Gesamtausgaben vor. Die Zahl der FSJ-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer im Bereich Pädagogik hat sich in den letzten fünf Jahren von 89 auf 220 Teilnehmende fast verdreifacht. Die Zahl der Schulen, die sich als Einsatzstelle für das FSJ Pädagogik zur Verfügung stellen, ist mit über 1.000 ungleich höher. Insgesamt werden rund 2.500 Stellen im FSJ finanziert. Auch wenn sich die Mehrzahl der rund 35.000 jährlichen Schulabsolventinnen und -absolventen für einen anderen Weg (Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums) entscheiden, so ist der Anteil derer, welche ein FSJ aufnehmen, recht hoch. Neben dem FSJ Pädagogik sind vor allem die Bereiche Gesundheit und Pflege – in welchen ja ebenfalls Fachkräftemangel besteht – glücklicherweise gefragte Einsatzstellen.
Alles in allem: Der Freistaat Sachsen hat einige der Maßnahmen, die Sie in Ihrem Schreiben ausführen, bereits ergriffen. Dies betrifft vor allem den Ausbau der Lehrerausbildung, von Schulassistenz und Schulsozialarbeit sowie die verstärkte Nutzung der Freiwilligendienste. Insbesondere in jenen Bereichen, wo strukturelle Veränderungen durch das Kultusministerium vorgenommen werden müssen – bei den Inhalten der Lehramtsausbildung und der Anpassung der Lehramtsprüfungsordnung – wünschen auch wir uns ein zügigeres und entschlosseneres Agieren, auf das wir auch weiterhin drängen werden.
Zur Information lege ich Ihnen noch einige Hinweise zu unserer bildungspolitischen Arbeit bei und freue mich, wenn Sie unseren Einsatz für ein besseres und leistungsfähigeres Schulsystem auch künftig unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Friedel
Bildungspolitische Sprecherin
https://2019-2024.spd-fraktion-sachsen.de/gute-bildung/