Offener Brief an Landtagspräsident Rößler und Arnold Vaatz

11. September 2020

Die Mit­glieder der SPD-Frak­tion im Säch­si­schen Landtag haben sich mit einem Brief an den Land­tags­prä­si­denten Dr. Rößler und den Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten Arnold Vaatz gewandt, um ange­sichts der Dis­kus­sion in den Medien die Auf­fas­sung ihrer Frak­tion zu ver­deut­li­chen.

„Vom 30. Jah­restag der Deut­schen Ein­heit sollte kein Signal der Spal­tung aus­gehen. Die Ver­dienste von Arnold Vaatz rund um die Fried­liche Revo­lu­tion sind unbe­stritten. Von einem Festakt im Landtag erwarten wir aber ein Signal der Ver­bin­dung und des Zusam­men­füh­rens. Des­halb halten wir die Ent­schei­dung für falsch und nehmen nicht teil. Die Schärfe, mit der die Debatte um die Fest­rede von Arnold Vaatz geführt wird, erscheint uns jedoch über­trieben. Unsere Kritik gilt dem kon­kreten Sach­ver­halt, doch wir führen keine Per­so­nen­de­batte. In einem Brief an den Land­tags­prä­si­denten und Herrn Vaatz haben wir des­halb unsere Beweg­gründe erläu­tert.

Von Seiten der SPD ist jetzt alles dazu gesagt.“

Sabine Friedel

Par­la­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rerin

Sehr geehrter Herr Prä­si­dent, sehr geehrter Herr Vaatz,

die öffent­liche Debatte um die Gestal­tung der Fei­er­stunde des Säch­si­schen Land­tags zum Tag der Deut­schen Ein­heit am 3. Oktober 2020 hält an. Sie wird, zu unserem Bedauern, inzwi­schen als Debatte um die Person Arnold Vaatz geführt. Eine solche Per­so­nen­de­batte ist nicht in unserem Sinne.

Unsere Kritik gilt dem kon­kreten Sach­ver­halt. Mit der Ein­la­dung einer Person zu einer Rede im Ple­nar­saal senden Par­la­mente – und so auch der Säch­si­sche Landtag – ein starkes Signal. Dieses Signal lautet: „Diese Person hat eine wich­tige Bot­schaft; eine Bot­schaft, die von so hohem Wert ist, dass das Par­la­ment eine Bühne bietet.“

Mit Blick auf diese Signal­wir­kung haben wir die Ent­schei­dung des Land­tags­prä­si­denten kri­ti­siert. Für uns ist der Tag der Deut­schen Ein­heit ein sehr beson­derer Tag. Er gibt Anlass zur Freude und zum Feiern von Gemein­sam­keiten, zur Benen­nung dessen, was uns noch trennt und zur Suche nach Ver­bin­dendem. In diesem Sinne sind uns viele Reden der ver­gan­genen Jahre – bei­spiels­weise von Freya Klier, Chris­to­pher Clark oder auch Ulrich Wickert – in sehr guter Erin­ne­rung.

Das zeigt: Ihnen, sehr geehrter Herr Prä­si­dent, sind in der Ver­gan­gen­heit viele dieser Ein­la­dungs­ent­schei­dungen, die Sie stets allein treffen, geglückt. Im aktu­ellen Jahr war Ihre Ent­schei­dung keine gute. Denn Sie, sehr geehrter Herr Vaatz, haben ohne Zweifel enorme Ver­dienste rund um die Fried­liche Revo­lu­tion, die Wie­der­her­stel­lung des säch­si­schen Par­la­men­ta­rismus und den Weg zur Deut­schen Ein­heit. Das findet unsere unein­ge­schränkte Aner­ken­nung.

Heute aller­dings, dreißig Jahre später, wirken viele Ihrer öffent­li­chen Äuße­rungen auf uns tren­nend, spal­tend, pola­ri­sie­rend und eben nicht ver­bin­dend, nicht suchend und nicht inte­grie­rend. Unbe­stritten ist Ihr Recht, sich so zu äußern. Wir nehmen Ihre Wort­mel­dungen zur Kenntnis und setzen uns mit ihnen aus­ein­ander. Glei­cher­maßen unbe­stritten ist unser Recht, die Wahl des Fest­red­ners für einen fei­er­li­chen Par­la­mentsakt, in dem offener Wider­spruch nicht vor­ge­sehen ist, und an einem Tag, der das Ver­bin­dende her­vor­heben sollte, für falsch zu halten.

Wir haben im Vor­feld der Ent­schei­dung keine Gele­gen­heit erhalten, sie zu beein­flussen. Wir haben nach Ver­kün­dung der Ent­schei­dung meh­rere Ver­suche unter­nommen, eine Ver­än­de­rung her­bei­zu­führen. Unsere Bemü­hungen wurden nicht gehört. Des­halb werden wir dem Festakt nicht bei­wohnen.

Alles in allem halten wir den Vor­gang für unglück­lich, die ent­stan­dene Situa­tion für miss­lich. Doch die Grund­sätz­lich­keit und Schärfe, mit wel­cher die Debatte inzwi­schen von man­cher Seite geführt wird, scheint uns ange­sichts der doch über­sicht­li­chen Trag­weite des Vor­falls über­trieben. Fehl­ent­schei­dungen und kri­tik­wür­dige Äuße­rungen gibt es immer wieder, das ist mensch­lich und auch wir sind hiervon nicht frei.

Mit freund­li­chen Grüßen

Dirk Panter, Sabine Friedel, Hanka Kliese, Hen­ning Homann, Martin Dulig, Simone Lang, Holger Mann, Albrecht Pallas, Frank Richter, Volkmar Winkler