Zu viel Personal, viel zu viel?

4. Februar 2021

von Sabine Friedel

Der Bericht der Per­so­nal­kom­mis­sion zeigt: Sachsen hat etwas mehr als 90.000 Stellen im Stel­len­plan – davon sind 88.000 besetzt.

 

Da rufen manche:

ZU VIEL PERSONAL!

VIEL ZU VIEL!

Das sehen wir anders:

Per­sonal ist nicht grund­sätz­lich schlecht oder grund­sätz­lich gut. Es kommt drauf an, was es macht. Das Per­sonal im öffent­li­chen Dienst ist Dienst­leister für die Bür­ge­rinnen und Bürger und für die Unter­nehmen. Die Stel­len­kür­zungen vor zehn Jahren haben gezeigt, dass man darauf nicht ver­zichten kann.

Die Leute zahlen genau dafür Steuern – dass der Staat am Laufen gehalten wird und Dienst­leis­tungen erbringt. Also schauen wir doch mal, was das Per­sonal so macht:

Von den 90.000 Stellen in Sachsen sind knapp 15.000 bei der Polizei.

Soll da wirk­lich ein­ge­spart werden?

Bei den rund 1.100 Leuten im Lan­des­kri­mi­nalamt, die Schwer­ver­bre­chen auf­klären und für Cyber­si­cher­heit sorgen? Oder bei den rund 3.300 Leuten in der Bereit­schafts­po­lizei, die vom Fuß­ball­spiel über die Demo bis hin zur Grenz­kri­mi­na­lität beson­dere Ein­sätze absi­chern?

Personalabbau bei der Polizei hatte Sachsen schon mal.

Das hat sich als Fehler erwiesen, und die SPD hat in den letzten Jahren enorm dafür gekämpft, diese Stellen zu erhöhen.

Von den 90.000 Stellen in Sachsen sind rund 33.000 an den sächsischen Schulen tätig.

Und rund 12.000 an den säch­si­schen Hoch­schulen und Uni­ver­si­täten.

45.000 Leute,

die tag­täg­lich dafür sorgen, dass kleine Kinder das Lesen und Schreiben lernen, dass junge Men­schen einen Beruf lernen oder ein Stu­dium absol­vieren.

Soll da wirk­lich Per­sonal ein­ge­spart werden?

Personalabbau im Bildungsbereich hatte Sachsen schon mal.

Das hat sich als gra­vie­render Fehler erwiesen, und die SPD hat in den letzten Jahren enorm dafür gekämpft, diese Stellen zu erhöhen.

Von den 90.000 Stellen in Sachsen sind rund 1.200 als Richterinnen und Richter an unseren Gerichten tätig.

Rund 2.200 Men­schen im Jus­tiz­vollzug. Und rund 7.200 Finanz­be­amte in den säch­si­schen Finanz­äm­tern. Mehr als

10.000 Leute

ins­ge­samt im Bereich Steu­er­ver­wal­tung, Recht­spre­chung und Jus­tiz­vollzug, also dort, wo es um die Finan­zie­rung der öffent­li­chen Güter geht, um Gerech­tig­keit und Ord­nung.

Soll da wirk­lich Per­sonal ein­ge­spart werden?

Personalabbau im Justizbereich, auch das hatte Sachsen schon mal. 

Es hat sich – Über­ra­schung – als Fehler erwiesen, und die SPD hat in den letzten Jahren enorm dafür gekämpft, diese Stellen zu erhöhen.

Die drei Bereiche, die ich bis jetzt genannt habe – Polizei, Bil­dung und Justiz – das waren zusammen schon mehr als 70.000 von den 88.000 Stellen, die gerade besetzt sind.

Und da habe ich noch gar nicht gespro­chen über die Forst­be­amten, die die säch­si­schen Staats­wälder pflegen. Über die Labo­ranten und Ärz­tinnen in der Lan­des­un­ter­su­chungs­an­stalt, die jetzt Corona und die Schwei­ne­pest gleich­zeitig testen und bekämpfen. Oder über die Musi­ke­rinnen und Tänzer in den säch­si­schen Kul­tur­ein­rich­tungen.

Wer Personal einsparen will, der muss Aufgaben einsparen! Der muss ehrlich sagen, was sich an den Dienstleistungen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ändern soll.

Ich will von den 45.000 Stellen an den Schulen und Hoch­schulen keine ein­zige ein­sparen, denn ich halte das Thema Bil­dung für so wichtig, dass hier jede Stelle gut inves­tiert ist.

Aber ich würde die 34.000 Leh­re­rinnen und Lehrer lie­bend gern anders ein­setzen: Ich würde nicht jeden Schüler in 35 Stunden Unter­richt pro Woche zwingen. Ich würde – und das zeigt ja auch Corona – auf einen Mix aus selb­stän­digem Lernen und geführten Unter­richt setzen. An Ganz­tags­schulen, wo Unter­richt, Lern­zeit und Frei­zeit ein­ander abwech­seln. In Finn­land haben die Schüler nur 25 Stunden Unter­richt pro Woche. Dümmer sind sie nicht – im Gegen­teil, das zeigt Pisa. Und wenn ich mein Schul­system, meine gesamte Päd­agogik so umstelle, dass ich nur noch 70% der Unter­richts­stunden mache, die heute gemacht werden, dann kann ich die 30% Lehr­kräfte, die man dann rein theo­re­tisch nicht mehr braucht, ein­setzen, um end­lich kleine Klassen zu machen, eine zweite Person im Unter­richt zu haben, für indi­vi­du­elle Lern­be­glei­tung und nicht zuletzt auch, um das Pflicht­stun­denmaß der Lehr­kräfte her­ab­zu­setzen.

DIESE Dis­kus­sionen gilt es zu führen, SOL­CHEN Themen muss man sich öffnen, wenn man über die Effi­zienz von ein­ge­setztem Per­sonal reden will.

Pau­schale Sicht­weisen, dass Sachsen zu viel Per­sonal hätte, helfen da wenig weiter – ganz gleich, ob sie vom Rech­nungshof, dem Bund der Steu­er­zahler, Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern oder sogar kom­mu­nalen Ver­tre­tern kommen. Es gilt, die fach­po­li­ti­schen Debatten über die 1.977 Auf­gaben der öffent­li­chen Ver­wal­tung zu führen, die diese Per­so­nal­kom­mis­sion ermit­telt hat. Und bei jeder ein­zelnen Auf­gabe abzu­wägen: In wel­chem Umfang und in wel­cher Tiefe soll der Staat diese Auf­gabe künftig erle­digen?

Das muss der nächste Schritt dieser Per­so­nal­kom­mis­sion sein und ich hoffe sehr, dass die Staats­kanzlei uns für diese fach­po­li­ti­schen Dis­kus­sionen eine gute Grund­lage schafft.

Niemand muss Angst vor einer aufgabenorientierten Personalentwicklung haben.

von Albrecht Pallas

Sowohl Per­so­nal­kom­mis­sion I als auch Per­so­nal­kom­mis­sion II geben uns als Landtag eine viel bes­sere res­sort­über­grei­fende Sicht auf den Stand und die Ent­wick­lung des Per­so­nals als es vorher jemals der Fall war. Bis dahin gab es keine Über­sicht der Gesamt­ent­wick­lung. Nur durch die Kom­mis­sionen war es mög­lich, dass wir die grund­sätz­liche Stra­tegie für das Per­sonal grund­sätz­lich umzu­krem­peln.

 

Vor 2014 wurde Per­so­nal­po­litik nur nach Kas­sen­lage gemacht. Das war nicht vor­aus­schauend. Das schwarz-gelbe Stel­len­ab­bau­kon­zept, ver­schlech­terte die Lage in allen Teilen der Staats­ver­wal­tung gra­vie­rend. Bei gleich­blei­benden Auf­gaben wurden die Beschäf­tigten weniger und älter. Es hat im Ergebnis dazu geführt, dass der Staat in Sachsen flä­chen­de­ckend nicht mehr gut funk­tio­niert hat. Die Unzu­frie­den­heit in der Bevöl­ke­rung ist auch darauf zurück­zu­führen – bezüg­lich des Kür­zungs­ham­mers der Staats­re­gie­rung 2009–2014 sogar berech­tigt. Die Folge war ein Frem­deln mit unserem frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Rechts­staat. Es hat uns die ganze letzte Legis­la­tur­pe­riode gekosten, die schlimmsten Folgen dieser Kür­zungs­po­litik zu repa­rieren: Wir haben den Stel­len­abbau gestoppt, in der Inneren Sicher­heit, der Wis­sen­schaft und der Bil­dung in Grö­ßen­ord­nungen neu­ein­ge­stellt und die Aus­bil­dungs­of­fen­sive gestartet. Die soll dafür sorgen, dass wir die in den Ruhe­stand gehenden Beschäf­tigten in den nächsten Jahren in allen Berei­chen der Ver­wal­tung ersetzen können. Das ist eine große Auf­gabe: bis 2030 scheiden ca. 39.000 Bediens­tete (43 %) aus dem Staats­dienst aus; durch Fluk­tua­tion sind wei­tere ca. 3.800 Stellen nach­zu­be­setzen. Die Ver­wal­tungs­fach­hoch­schule in Meißen ist dabei der Motor der Aus­bil­dungs­of­fen­sive und als SPD wollen wir sie weiter stärken.

Ich bin auch sehr froh, dass wir als SPD errei­chen konnten, dass die alten Fehler jetzt nicht wie­der­holt werden. Wir dis­ku­tieren ja der­zeit den Haus­halts­ent­wurf 2021/2022. Auch wenn in dem Ent­wurf noch einige offene Bau­stellen zu finden sind, so ist es doch gut, dass wir eine erneute Kür­zungs­po­litik abwenden konnten. In der Krise kürzen wir nicht, wir inves­tieren.

Und es ist ein gutes Signal an die Beschäf­tigten im öffent­li­chen Dienst und die Bevöl­ke­rung, dass die ‚kw-Vermerk‘e – also zu kür­zende Stellen ohne dass die Auf­gaben weg­fallen – end­lich aus dem Haus­halt getilgt werden.

Damit setzen wir einen Schluss­punkt hinter die Repa­ratur des fatalen Kür­zungs­ham­mers von 2010.

Und trotzdem kommen die alten Reflexe eines über­trie­benen liber­tären Staats­ver­ständ­nisses wieder hervor, wie z.B. die Kritik des Bundes der Steu­er­zahler u.a. zeigt.

Das sehen wir Sozi­al­de­mo­kraten ganz anders.

  • Die Anzahl der Per­so­nal­stellen darf nie wieder ideo­lo­gisch einem Spar- und Kür­zungs­ziel folgen, wie es in den Jahren ab 2010 der Fall war.
  • Bevöl­ke­rungs- oder Ein­nah­me­pro­gnosen dürfen nie wieder zum allein aus­schlag­ge­benden Para­meter stra­te­gi­scher Per­so­nal­pla­nung gemacht werden

Richtig ist, dass die Per­so­nal­kosten im Frei­staat Sachsen durch unsere lang­fris­tige und vor­aus­schau­ende Per­so­nal­po­litik steigen.

Richtig bleibt aber auch in jeden Fall: Selbst mit einer höheren Aus­stat­tung sind unsere Kosten doch deut­lich geringer als in anderen Bun­des­län­dern:

Laut vor­läu­figem Haus­halts­ab­schluss-Abschluss 2020 hat Sachen eine Per­so­nal­aus­ga­ben­quote von 23,1%, im Plan 2022 eine von 25,3%. Der Frei­staat Bayern, mit dem wir uns so gern ver­glei­chen, hat im Plan 2021 eine Quote von 37,3%.

Nie­mand muss also Angst vor einer auf­ga­ben­ori­en­tierten Per­so­nal­ent­wick­lung haben.

Der hand­lungs­fä­hige Staat ist in Sachsen wieder zu Hause. Wir haben die wert­volle soziale und kul­tu­relle Land­schaft in unserem Land seit 2014 mühsam wieder gestärkt und auf­ge­baut und unter­stützen die säch­si­sche Zivil­ge­sell­schaft durch eine gute Ver­wal­tung.

Dafür werden wir Sozialdemokrat*innen weiter mit aller Kraft kämpfen.

Und wir haben in der Koali­tion noch einiges vor, um den öffent­li­chen Dienst weiter zu moder­ni­sieren, per­so­nell zu erneuern und in die Zukunft zu führen

Wir wollen in dieser Legis­latur ein inte­griertes Per­so­nal­kon­zept für den Frei­staat Sachsen eta­blieren.  Dazu müssen wir Aus­bil­dungs­of­fen­sive und Wert­schät­zungs­of­fen­sive kon­se­quent wei­ter­führen.

Wir sollten die Emp­feh­lungen der Per­so­nal­kom­mis­sion II kon­se­quent umsetzen:

  • Wir brau­chen für ein inte­griertes Per­so­nal­kon­zept und einen modernen öffent­li­chen Dienst auch eine Fort­bil­dungs­in­itia­tive mit bes­seren Auf­stiegs­mög­lich­keiten.
  • Wir brau­chen Fort­schritte bei der Digi­ta­li­sie­rung der Ver­wal­tung.
  • Wir brau­chen lang­fristig gesunde Per­so­nal­zy­klen und eine kon­se­quente lan­des­weite Steue­rung der Per­so­nal­ent­wick­lung.

Um das alles zu steuern sollte als erstes eine stän­dige Per­so­nal­kom­mis­sion ein­ge­richtet werden.