Vor 90 Jahren am 23. März hat der Reichstag gegen die Stimmen der SPD und unter Ausschluss der KPD mit den Stimmen der Nazis, der Konservativen und der Liberalen Hitlers „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ beschlossen. Dieses Gesetz ging in die Geschichtsbücher jedoch als „Ermächtigungsgesetz“ ein, denn es hob die für die Demokratie so wichtige Gewaltenteilung auf und gab der Reichsregierung umfassende Handlungsvollmachten. Außerdem konnten damit die freie Meinungsäußerung abgeschafft und willkürliche Verhaftungen legitimiert werden.
Die Pressefreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit waren zu diesem Zeitpunkt schon sehr eingeschränkt. Viele Abgeordnete, die gegen dieses Gesetz stimmen wollten, wurden bereits im Vorfeld verhaftet oder mit Gewalt daran gehindert. Vor diesem Hintergrund ist es beachtlich, dass trotz massiver Drohungen die SPD-Fraktion geschlossen gegen das Gesetz stimmte. Der Parteivorsitzende Otto Wels hatte erkannt, welche tiefgreifenden rechtlichen Einschränkungen das Gesetz zur Folge haben wird und brachte dies in seiner Rede auf den Punkt:
„Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus… Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll.“
Seine Rede ging als die „letzte freie Rede“ für die darauffolgenden 12 Jahre in die Geschichte ein. Dennoch wurde das Gesetz verabschiedet. Damit war das deutsche Parlament entmachtet und der entscheidende Schritt zur endgültigen Machtübernahme Hitlers und zur Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur getan. Am 22. Juni 1933 folgte das Verbot der SPD als „volks- und staatsfeindliche Organisation“.
Kein Fußbreit dem Faschismus!
„Der 23. März 1933 ist für uns demokratische Parlamentarierinnen und Parlamentarier ein Datum der Verantwortung und des Respekts. Es ist unsere Aufgabe, dieses dunklen Tages der deutschen Geschichte nicht nur zu erinnern. Er ist uns eine Verpflichtung: Nie wieder darf es dazu kommen, dass sich die Vertretung des Volkes unter höhnischem Gegröle der Gegner der Demokratie selbst abschafft.
Mutige Politiker wie Otto Wels sind uns immer ein Vorbild. Er gibt uns, stellvertretend für die vielen tausend politischen Opfer der Nazis, den Auftrag, sich zu jeder Zeit und zu jedem Anlass den Antidemokraten, den Nazis, den Rassisten, den Menschenfeinden entschieden entgegenzustellen.
Vor 90 Jahren haben sich Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht durch Nazis einschüchtern lassen – und auch heute gilt für uns: Kein Fußbreit dem Faschismus!”