Deutschland führt seit 2015 eine intensive Debatte zum Thema Zuwanderung sowie Flucht und Asyl, die sich in den vergangenen Monaten zuspitzte. Die menschengemachten Krisen, Kriege und Katastrophen dieser Welt werden weiterhin dazu führen, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in einem anderen Land eine sichere Zuflucht und neue Perspektiven zu finden.
Wir stehen uneingeschränkt zum individuellen Grundrecht auf Asyl und bekennen uns zum Einwanderungsland Deutschland. Zugleich stehen wir aktuell vor neuen Herausforderungen – und anderen als 2015: Sachsen hat seit Anfang 2022 annähernd 60.000 aus der Ukraine geflüchtete Menschen aufgenommen. Auch die Zahl der Geflüchteten aus anderen Staaten, die erstmals einen Asylantrag gestellt haben, hat auf ca. 11.000 zugenommen. Gleichzeitig sind wir zunehmend auf die Zuwanderung von qualifizierten Menschen angewiesen. Auch Menschen mit Duldungsstatus und unterschiedlichem Qualifikationsniveau brauchen Perspektiven und haben Potential für unseren Arbeitsmarkt. Die bisherige Aufnahme und Integration wurde von den sächsischen Kommunen geschultert und sie rufen zu Recht nach mehr Unterstützung durch den Bund und das Land.
Klar ist: Wer nach einem rechtsstaatlichen Verfahren kein Aufenthaltsrecht in unserem Land erhält, muss Deutschland wieder verlassen, wenn es für den oder die Betroffene zumutbar ist. Viele Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, bleiben aber in unserem Land, weil eine Abschiebung aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist. Die meisten von ihnen wollen sich in unsere Gesellschaft einbringen. Auch sie brauchen wir. Damit es gelingt, die Aufnahme und Integration von Menschen mit Aufenthaltsrecht oder Duldungsstatus zielgerichtet zu steuern, müssen sich Europäische Union, Bund, Länder und Kommunen besser abstimmen und jeweils ihren Beitrag leisten. Mit einer breiten Lastenverteilung tragen wir dazu bei, dass die Akzeptanz und Unterstützungsbereitschaft in der Gesellschaft wieder zunehmen.
Lösungen müssen dieser Vielfalt an Herausforderungen gerecht werden. So vielfältig und konkret wie diese
Herausforderungen müssen auch Lösungsansätze sein. So gelingt es uns, die Aufnahmekapazitäten in Deutschland und Sachsen bestmöglich auszuschöpfen, ohne Menschen, Unternehmen und Kommunen zu überfordern. Als SPD-Fraktion wollen wir in Sachsen dort wirken, wo das Land Maßnahmen ergreifen und Entscheidungen treffen kann. Die Gesellschaft in Sachsen hat in der Vergangenheit schon von ihrer Weltoffenheit profitiert. Zugewanderte Menschen haben hier ein neues Zuhause gefunden und mit ihrer Arbeit sowie ihrem Engagement zur positiven Entwicklung dieses Freistaates beigetragen. Die Bevölkerung Sachsens ist überaltert und schrumpft. Der Arbeits- und Fachkräftebedarf wächst in allen Branchen weiter.
Zur Lösung braucht es ein Bündel von Maßnahmen:
- Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne.
- Wir müssen auf das Thema Weiterbildung setzen, die Ausbildung stärken und dafür Sorge tragen, dass
alle Potentiale genutzt werden. - Menschen mit Aufenthaltsrecht oder Duldungsstatus müssen schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden.
- Zusätzlich brauchen wir gezielte Zuwanderung, um unsere Wirtschaft am Laufen zu halten.
BUND UND LÄNDER MÜSSEN JETZT ÜBER PARTEIGRENZEN HINWEG ZUSAMMENARBEITEN.
Migration macht vor Länder- wie Zuständigkeitsgrenzen nicht halt. Bundes- und Länderregierungen führen intensive Gespräche darüber, wie Migration nach Deutschland künftig gestaltet werden kann. Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz von Anfang November tragen der bisherigen Debatte Rechnung. Als SPD haben wir uns auf die Union zubewegt und betrachten die Beschlüsse als neue gemeinsame Grundlage in der Migrationspolitik. Wir erwarten von der Sächsischen CDU, dass sie den Kompromiss, dem auch Michael Kretschmer zugestimmt hat, nun tatkräftig mit Leben füllt, statt die Debatte weiter anzuheizen. Bei allen Maßnahmen, die diskutiert werden – seien es eine bundeseinheitliche Bezahlkarte, stationäre Grenzkontrollen oder anderes – müssen wir uns fragen: Tragen sie tatsächlich dazu bei, Migration zu steuern oder Schleuserkriminalität wirksam zu bekämpfen? Sollte sich etwa herausstellen, dass stationäre Grenzkontrollen keinerlei Beitrag dazu leisten, Migration zu begrenzen, aber negative Auswirkungen auf die Menschen und Unternehmen im grenznahen Raum haben, dann sollten wir sie unverzüglich wieder beenden. Wir unterstützen die Forderung nach einer schnelleren Arbeitserlaubnis für Geflüchtete. Die Integration in den Arbeitsmarkt eröffnet Teilhabe und Anerkennung einerseits und die Einbindung in soziale Strukturen vor Ort andererseits. Spracherwerb ist für die Integration wichtig, er muss sich an die Lebens- und Arbeitssituation flexibel anpassen können. Wir setzen auf Sprachstandsfeststellungen und Kompetenzorientierung, um passende Kursangebote zu vermitteln. Ein berufsbegleitender Spracherwerb oder Sprachkurse für Mütter mit Kinderbetreuungsangebot sind erforderlich. Gleichzeitig begrüßen wir, dass der Bund sich stärker an den Kosten für die Aufnahme und Integration von Menschen mit Migrationsgeschichte beteiligen wird.
SACHSEN UNTERSTÜTZT DIE GEMEINSAME AUFGABE, HILFT DEN KOMMUNEN UND SORGT FÜR EINE SCHNELLERE UND GELINGENDE INTEGRATION.
Die Erstaufnahme ist zwar Aufgabe des Landes, aber sie findet vor Ort in den Kommunen statt. Deshalb haben die sächsischen Städte und Gemeinden mit ihrer Position recht: Sie sind Orte der Integration. Diese Aufgabe müssen sie auch leisten können. Wir unterstützen ausdrücklich die Forderungen nach mehr Aufnahmekapazitäten, weiteren Erleichterungen im Bauplanungs- und Vergaberecht zur schnelleren Errichtung von Unterkünften, mehr finanzieller Unterstützung durch das Land, einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt und ausreichend Integrationsangebote für Menschen mit Bleibeperspektive. Ob Geflüchtete, für die Arbeit Zugewanderte oder international Tätige in der Wissenschaft oder Kultur – sie alle brauchen eine Willkommenskultur in unseren Kommunen. Diese schaffen die Kommunen, zivilgesellschaftliche Akteure, Unternehmen, wissenschaftliche Institutionen und die Bürger:innen nur gemeinsam. Der Freistaat Sachsen wird sie dabei noch mehr unterstützen.
Als SPD-Fraktion setzen wir uns in der Regierungskoalition in Sachsen insbesondere für folgende Punkte ein:
- Integration ist eine Daueraufgabe – Integrationsgesetz endlich beschließen
- Kommunen Vorbereitungszeit geben – Mehr Kapazität und gute Betreuung in den Erstaufnahmeeinrichtungen
- Schneller Zugang zum Arbeitsmarkt als Schlüssel
- Anreize für die Aufnahme von Geflüchteten schaffen
- Verteilung interkommunal gerechter gestalten
- Lenkungsausschuss Fluchtmigration einrichten