
Plenarrede von Albrecht Pallas zum Polizeigesetz – 1/6
Nach monatelanger Debatte, nach jahrelanger Erarbeitung, Veränderung, Reflektion und erneuter Veränderung führen wir heute die abschließende Beratung zum Polizeigesetz. Als SPD sind wir 2014 hier angetreten, um Polizeiarbeit besser zu machen.
Wir haben erst den schwarz-gelben Scherbenhaufen aufkehren müssen, haben den Stellenabbau gestoppt und die Einstellungszahlen von 300 auf 700 junge Menschen pro Jahr angehoben.
Wir haben den Polizeibau angekurbelt und sorgen für eine moderne technische und persönliche Ausstattung.
Heute beschließen wir das Polizeigesetz, als rechtliche Grundlage. Neben der Strafprozessordnung ist es gewissermaßen der letzte Baustein in dieser Legislatur.
Als SPD ging es uns darum, die Sicherheitsaspekte mit den Freiheitsaspekten zugleich in einem angemessenen Verhältnis zu halten. Ich finde, das ist uns gelungen.
Es ist zweifelsohne eines der bedeutendsten Gesetzesvorhaben dieser Koalition und gleichzeitig eines der umstrittensten. Die Rollenverteilung in dieser Debatte sortiert sich dabei weniger nach Parteifarben als nach Trennung in Regierung und Opposition.
Das wird besonders deutlich, wenn wir uns einmal in den anderen Bundesländern anschauen, welche Koalitionen in den Ländern in den vergangenen Monaten mit welchen Inhalten ihre jeweiligen Polizeigesetze verändert haben.
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Das führt zu ganz erstaunlichen Ergebnissen:
- Bayern - CSU: Mai 2018 – Polizeiaufgabengesetz, das an vielen Stellen zu weit geht und zu recht beklagt wird
- Baden-Württemberg - Grüne/CDU: November 2017 – verdeckte Handy-Überwachung mit Trojaner, Quellen-TKÜ, Body-Cam, keine Kennzeichnungspflicht
- Hessen - CDU/Grüne: August 2018 – (QTKÜ), Online-Durchsuchung, Body-Cam
Im Ergebnis ist das Bild nicht mehr so klar, wer hier welche Position zum PolG oder vermeintlich zum Rechtsstaat einnimmt – mit Ausnahme der CSU in Bayern.
Aber heute: Sächsisches Polizeigesetz. Warum hat sich die Koalition vorgenommen, das PolG zu reformieren?
- Die Polizeigesetznovelle soll das neue europäische Datenschutzrecht, konkret die Datenschutz-Richtlinie, in sächsisches Landesrecht umsetzen.
- Das Rechtliche Instrumentarium für polizeiliche Gefahrenabwehr muss an gesellschaftliche und technische Entwicklungen aber auch an veränderte Gefährdungslagen und sich verändernde Kriminalität angepasst werden
- Grund: Freistaat Sachsen und Kommunen arbeiten beide mit geteilten Aufgaben an Sicherheit und Ordnung à daher schaffen wir für beide Bereiche transparente und adressatengerechte Gesetze.
Das neue Polizeigesetz wird einerseits der Polizei ermöglichen, sich mit neuen oder gewachsenen Kriminalitätsphänomenen angemessen zu befassen, um diese Phänomene zu bekämpfen.
Dazu zählen z.B. schwere Eigentumskriminalität, Gewalt oder religiös bzw. politisch motivierte Kriminalität bis hin zu schwersten terroristischen Straftaten.
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Andererseits verzichtet es im Gegensatz zu anderen Polizeigesetzen auf plakative, jedoch verfassungsrechtlich fragwürdige Befugnisse wie die verdeckte Handy-Überwachung mittels Staatstrojaner (QTKÜ), die Online-Durchsuchung oder einen sog. Ewigkeits-Gewahrsam, wie ihn etwa der Freistaat Bayern eingeführt hat.
Als SPD wollen wir, dass die sächsische Polizei auch in Zukunft handlungsfähig ist. Gleichzeitig soll die Polizei nur diejenigen Eingriffsbefugnisse bekommen, die für eine effektive Aufgabenerfüllung geeignet, erforderlich und in ihrem Grundrechtseingriff angemessen sind.
Die Polizei muss nicht alle technisch möglichen Befugnisse bekommen, sondern die richtigen.
Auch auf Grund des jetzigen Polizeigesetzes darf die Polizei in Grundrechte eingreifen. Das ist nicht neu aber notwendig, damit die Polizei ihrem Auftrag nachkommen kann, im alten wie im neuen PolG.
Je tiefer eine Befugnis in die Grundrechte eingreift, desto höher müssen auch die gesetzlichen Hürden sein. Deswegen haben viele der Befugnisse einen Richtervorbehalt (Aufenthaltsanordnung oder Kontaktverbot n. §21 PVDG; den Gewahrsam nach §§22,23 PVDG oder TKÜ nach §§66–69 i.V.m. 73 PVDG).
Der Staat muss in begründeten Fällen in die Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfen. Aber dies muss mit möglichst offenem Visier geschehen und gerichtlich überprüfbar sein. Das macht den Rechtsstaat aus!
Deswegen sind für uns als SPD die Polizeikennzeichnungspflicht und die Stärkung der Polizeilichen Beschwerdestelle mindestens genauso wichtige Themen wie die Entscheidung über die einzelnen Polizeibefugnisse.
Nun kann in einer Koalition nicht jeder Wunsch umgesetzt werden
Es ist bekannt, dass die CDU diese rechtsstaatliche Normalität ablehnt.
Wir setzen uns weiter für eine anonymisierte Kennzeichnung ein, mit der Möglichkeit, den konkreten Code zu wechseln.
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Für mehr Transparenz wird die Aufwertung der Beschwerdestelle sorgen. Sie wurde Anfang 2016 auf unser Betreiben hin überhaupt erst eingerichtet. Mit dem PolG wird sie zur unabhängigen Vertrauens- und Beschwerdestelle weiterentwickelt. Sie bekommt eine gesetzliche Grundlage, wir erleichtern es Polizisten, sich dahin zu wenden. Sie wird unabhängig von Polizeistrukturen – im Landtag wäre optimal, durch den Kompromiss wird sie nun in der Staatskanzlei sein (im Übrigen wie in Sachsen-Anhalt mit einer CDU-SPD-Grüne-Regierung).
Als SPD wollen wir auch eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Polizeiarbeit.
Aber der Reihe nach:
- September 2018 – 1. Lesung im Landtag
- November 2018 – Anhörung im Innenausschuss
- März 2019 – 2. Anhörung im Innenausschuss
Die Anhörungen waren wichtig, um den Gesetzentwurf durch ExpertInnen hinterfragen und auf mögliche Fehler abklopfen zu lassen.
Es gab zahlreiche Briefe von Institutionen und Organisationen mit Änderungsvorschlägen oder pauschaler Kritik.
Als SPD haben wir jede Kritik immer sehr genau geprüft und an vielen Stellen ebenfalls Änderungsbedarf am Gesetzentwurf erkannt.
So haben wir mehr Transparenz, bessere Kontrolle und mehr Betroffenenrechte durchgesetzt. Zum Beispiel:
- die Zentrale Vertrauens- und Beschwerdestelle
- die Ausweitung der Kontrollrechte des Sächsischen Datenschutzbeauftragten
- wir erweitern die Berichtspflichten an den Landtag
(so muss die StReg dem Landtag jährlich bspw. über Aufenthaltsgebote und Kontaktverbote nach §21 Abs. 2 und 3 PVDG oder über den Einsatz von Bodycam nach §57 Abs. 4 und 5 PVDG berichten)
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Über den Entwurf hinaus wird es eine Evaluation von Aufenthaltsverbot und Kontaktverbot (§ 21 Abs. 2 u. 3 PVDG); Bodycam (§ 57 Abs. 4 u. 5 PVDG); automatisierter Kennzeichenerkennung (§ 58 Abs. 5 PVDG) und elektronische Aufenthaltsüberwachung (§ 61 PVDG) geben.
Und wir stellen bei der neu eingeführten Bodycam (§ 57 PVDG) im Gesetz klar, dass die Betroffenen ein Einsichtsrecht in die Aufnahmen haben.
Und es gibt noch viele andere Änderungen mehr.
Damit setzen wir auch die Punkte um, welche sich aus den beiden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 zu Kfz-Kennzeichenkontrollen in den Polizeigesetzen von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen für Sachsen ergeben haben.
Wir haben uns selbstverständlich auch mit der Stellungnahme des Sächsischen Datenschutzbeauftragten beschäftigt. Es gab Lob für Body-Cam und einen Formulierungshinweis zur Regelung über Berufsgeheimnisträger. Das haben wir im Ausschuss geändert. Er hat sich auch mit Punkten zu Kennzeichenerfassung und Videoüberwachung in Folge des Bundesverfassungsgerichts-Entscheids auseinandergesetzt. Der Datenschutzbeauftragte sieht, trotz Anpassungen am Gesetz, ein Restrisiko, dass es eventuell verfassungswidrig sein könnte – er muss in seiner Rolle besonders kritisch sein. Die SPD hat das in mehreren Gesprächen intensiv geprüft und wir kommen zu einem anderen Schluss und sehen das Restrisiko nicht. (Kontrolle außerhalb grenznaher Raum bereits aufgrund SächsVerfGH beschränkt und reguliert; Speicherung der Videodaten an Transitstrecken für 96h ist rechtlich Neuland, darüber hat Gericht nicht entschieden, in Abwägung wollen wir effektiv etwas gegen schwere Eigentumskriminalität tun.)
Im Ergebnis wurde der Gesetzentwurf der Staatsregierung durch den Innenausschuss am 28. März auf Antrag von SPD und CDU in wesentlichen Punkten geändert. Nicht zuletzt haben wir dadurch die Verfassungskonformität des sächsischen Polizeirechts gewahrt.
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Vor allem aber sind damit unsere Ziele für das Polizeigesetz erfüllt. Es wird nicht nur modernisiert, sondern Freiheit und Sicherheit bleiben in einem guten Verhältnis zueinander.
Dafür möchte ich zum Abschluss einen Mann zu Wort kommen lassen, der das sächsische Gesetz aber auch das Bayrische Polizeiaufgabengesetz gut kennt, weil er in beiden Gesetzgebungsverfahren als Sachverständiger gewirkt hat.
Es ist der bayrische Richter am LG München I, Markus Löffelmann.
Einige Änderungsvorschläge von ihm haben wir übrigens umgesetzt.
Aber Richter Löffelmann beklagte in einer Anhörung im bayrischen Landtag zum BayPAG einen Paradigmenwechsel. Ihm zufolge erhalte jeder bayerische Polizist mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr als das Bundeskriminalamt im Kampf gegen den Terror.
In der Anhörung zum SächsPolG sagte er wörtlich:
„Vor diesem Hintergrund sehe ich in dem gegenständlichen Entwurf eines Polizeivollzugsdienstgesetzes eine durchaus erfreuliche Ausnahmeerscheinung; denn dieser Entwurf enthält sich weitgehend dem Bestreben, neue eingriffsintensive und verfassungsrechtlich heikle polizeiliche Befugnisse zu schaffen, sondern er setzt mehr auf strukturelle Neuerungen, die die Rechtsmaterie besser handhabbar machen. Der Entwurf lässt nach meinem Eindruck durchgängig ein Bemühen um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Eingriffsintensität in polizeiliche Befugnisse und den Freiheitsinteressen Betroffener erkennen. Dieser defensive Ansatz ist meines Erachtens zu begrüßen …“ (S. 19, Wortprotokoll zur öffentlichen Anhörung vom 19.11.2018 zum GesE)
Meine Damen und Herren,
dem muss ich nichts hinzufügen.
Die SPD-Fraktion stimmt dem Gesetz zu.
Am 10. April hat der Landtag ein neues Polizeirecht beschlossen (Drucksache 6/13351 und 6/17260).
Dazu erklärt unser Innenexperte Albrecht Pallas:
„Die SPD ist 2014 angetreten, um die Polizeiarbeit in Sachsen besser zu machen. Zunächst mussten wir den schwarzgelben Scherbenhaufen aufkehren, haben den Stellenabbau bei der Polizei gestoppt und die Einstellungszahlen von 300 auf 700 pro Jahr mehr als verdoppelt. Wir haben den Polizeibau angekurbelt und sorgen für eine moderne Ausstattung. Das heute beschlossene Polizeigesetz ist in dieser Legislatur der letzte Baustein, um bei unserem Ziel, der besseren Polizei, deutlich voranzukommen“, so Innenexperte Albrecht Pallas am Mittwoch zum Beschluss des Polizeigesetzes.
Zur Entstehung des Gesetzes führt Pallas aus: „Das Polizeigesetz ist zweifelsohne eines der bedeutendsten Gesetzesvorhaben dieser Koalition. Und gleichzeitig eines der umstrittensten. Die SPD hat jede Kritik, egal ob konstruktiver Änderungsvorschlag oder pauschale Ablehnung, immer sehr genau geprüft. Und wir haben den Gesetzentwurf an vielen Stellen geändert. Und auch die Anhörungen haben dazu wertvolle Anregungen geliefert. Das betrifft zum einen Transparenz und Kontrolle und zum anderen z.B. die Regelungen zur automatisierten Kennzeichenerfassung.“
In Bezug auf vielfach geäußerte Kritik stellt Pallas klar: „Die SPD will, dass die sächsische Polizei auch in Zukunft handlungsfähig ist. Gleichzeitig soll die Polizei nur die Befugnisse bekommen, die sie benötigt und in ihrem Grundrechtseingriff angemessen ist. Die Polizei muss nicht alle technisch möglichen Befugnisse bekommen, sondern die richtigen. So verzichten wir, im Gegensatz zu anderen Polizeigesetzen, auf plakative, jedoch verfassungsrechtlich fragwürdige Befugnisse wie die verdeckte Handy-Überwachung mittels Staatstrojaner (QTKÜ), die Online-Durchsuchung oder einen sog. Ewigkeits-Gewahrsam, wie ihn etwa der Freistaat Bayern eingeführt hat. Der SPD geht es darum, die Sicherheitsaspekte mit den Freiheitsaspekten zugleich in einem angemessenen Verhältnis zu halten. Ich finde, das ist uns gelungen.“
„Der Staat muss in begründeten Fällen in die Grundrechte seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfen. Aber dies muss mit möglichst offenem Visier geschehen und gerichtlich überprüfbar sein. Das macht den Rechtsstaat aus! Deswegen sind die SPD und ich für die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und die Stärkung der Polizeilichen Beschwerdestelle. Es ist bekannt, dass die CDU diese rechtsstaatliche Normalität ablehnt. Wir setzen uns, auch nach Beschluss des Gesetzes, weiter für eine anonymisierte Kennzeichnung ein!“, so Pallas abschließend.